DREHBUCHWERKSTATT MÜNCHEN

 

 

 

 

 

 

 

HIPPIEFERIEN IN NIRGENDSLAND

 

 

 

Drehbuch für einen Kinderfilm

 

von

 

Jenny Alten

 

 

 

 

 

Fassung vom Juni 2016

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jenny Alten

Am Wald 39

14478 Potsdam

Tel. 0170 55 25 111

jennyalten@yahoo.com

1INNEN/AUSSEN. DACHBODEN OSKAR/FEUER VOR VILLA - NACHT1

OSKAR (11, mit Haargel gestylte lange Haare und abstehende Ohren, die aber gerade von Kopfhörern verdeckt werden) wühlt in einer Kiste mit Nazi Abzeichen und anderen Militaria. Neben ihm hoppst Papagei MACKIE auf und ab. ANNE MÜLLER (39) schaut sich auf dem Dachboden um. Übersieht dabei ihren Sohn zwischen den Kisten.

ANNE MÜLLER (OFF)

Oskar? OOOskaaar?

MACKIE

(immitiert Stimme von Anne Müller)

Schatzi!

Der Papagei tackert mit dem Schnabel gegen die Kopfhörer. Oskar zieht sich die Kopfhörer ein kleines Stück von den Ohren.

Anne Müller stopft einen riesigen Daunenschlafsack in einen viel zu kleinen Sack.

OSKAR

Den nehm ich nicht. Der stinkt.

ANNE MÜLLER

Dann fahr halt zum Papa und hol da Deine Camping Sachen ab.

OSKAR

Fahr Du doch da hin.

Oskar packt ein Modellbau U-Boot ganz vorsichtig aus Zeitungspapier aus. Es hat ein Hakenkreuz auf der Brücke.

ANNE MÜLLER

Ich muss Dir noch ’ne Apotheke packen, die Allergie-Sonnencreme und was zu Essen brauchst Du ja wohl auch noch.

OSKAR

Ich kann ja auch ausnahmsweise mal mit den anderen essen.

ANNE MÜLLER

Oskar! Wir haben jetzt so lange durchgehalten.

OSKAR

Du hast mich doch beim Jungscamp angemeldet!

ANNE MÜLLER

Männlichkeit hat doch nichts mit Fleischessen zu tun!

OSKAR

Ich könnt ja auch mit anderen Veganern wegfahren.

ANNE MÜLLER

Klar. Morgen früh. Bis dahin findest Du Veganer, die mit Dir wegfahren?

OSKAR

Oder ich werd krank. Dann krieg ich auch mehr Mama.

ANNE MÜLLER

Dann kriegst Du nur mehr Haushaltshilfe Frau Nieman.

OSKAR

Die von nebenan fahren an die Ostsee.

ANNE MÜLLER

Die Hippies? Die sind doch selber schon zu neunt.

OSKAR

Bei denen ist immer noch Platz.

Von draußen hört man laute Trommelmusik. Oskar und seine Mutter öffnen das Dachfenster. Sie müssen nebeneinander auf einem schmalen Tritt stehen, um in den Nachbargarten gucken zu können. Oskar beugt sich vor, um besser sehen zu können.

FEUER VOR VILLA

Im Hintergrund eine verfallene Villa. Unten steht ein Mädchen (Branka, 12) mit Löwenmähne an einer großen Metalltrommel (Hang). Neben ihr sitzen noch zwei Jungs, der kleine Luca (10) an einer Milkbottledrum, der andere mit Gitarre. Branka macht einen Trommelwirbel. Luca geht total ab auf den Trommeln. Die Melodie macht er mit einer Mundharmonika. Klingt geil.

Bert PFEFFERKORN think Jürgen Vogel, 48, Familienvater und trotzdem noch Punk, tritt die letzten Flammen des Feuers aus. Rührt mit einer Holzlatte in der Glut, bis es ein gleichmäßiges Bett ist. Er zieht sich die Schuhe aus und läuft barfuß darüber.

BERT PFEFFERKORN

Branka. Jetzt Du!

DACHBODEN

ANNE MÜLLER

Guck Dir doch diese hirnverbrannten Spinner an! Haben dieses Riesenteil  rückübertragen bekommen und spielen Indianer.

DETAIL:

Verrottete Villa

DACHBODEN

Anne Müller tritt vom Tritt herunter, stopft den Schlafsack voller Wut in den Sack.

ANNE MÜLLER

Wenn wir solche Möglichkeiten hätten, dann würd ich nicht so einen Scheiß mit Dir machen!

Der Stoff reißt. Daunen fliegen durch den Raum. Der Papagei flattert darin herum. Die Daunen fliegen durch das offene Fenster hinaus in die Nacht.

TITEL

FEUER VOR VILLA

Cassia (6), mit Schnuffeltuch zeigt nach oben.

CASSIA

Guck mal es schneit.

Luca (der ist übrigens blond, dürr und drahtig, sieht deshalb aus wie 8, Bruder von Branka) zeigt Cassia einen Vogel.

LUCA

Bist du dumm? In den Sommerferien?!

Branka guckt hoch und winkt Oskar. Oskar hebt die Hand. Dann flattert sein Papagei aus dem Fenster.

OSKAR

Mackie!

DACHBODEN

ANNE MÜLLER

Nicht heute!

Oskar lockt den Papagei an, indem er sich auf die Schulter klopft.

OSKAR

Ich fahr zu Papa meinen Schlafsack holen!

Anne Müller guckt zu ihm hoch. Was war das denn?!

Mackie setzt sich tatsächlich auf Oskars Schulter.

OSKAR

Na, Du traust Dich ja nicht.

MACKIE

Schatzi!

ANNE MÜLLER

(auf einmal mit Piepsstimme)

Ich kann ja die anderen Sachen einpacken.

Oskar drückt ihr Mackie auf den Arm und flitzt los.

2AUSSEN. VILLA/GARTEN - NACHT2

Oskar steht am Zaun der Villa. Er beobachtet den Feuerlauf. Guckt aber immer wieder zu der leicht flackernden Gaslaterne hinter ihm. Er wischt sich seine nassen Hände an der Hose ab. Dabei rutscht sein T-Shirt ein Stück aus dem Hosenbund. Er steckt es wieder rein.

Branka hält in jeder Hand einen ihrer orangenen Sandalen und balanciert über das Glutbett als wäre es ein Seil. Jetzt steht sie Hand in Hand mit ihrem Vater. Sie winkt dem UROPA (96), der im Seemanspullover und Nickelbrille in einem Ohrensessel neben dem Feuer sitzt.

BRANKA

Uro, machst Du mit?

UROPA

Meine Beine sind eingeschlafen.

LUCA

Die werden auch immer lauer Deine Ausreden!

UROPA

Werd Du erstmal 96!

Als nächstes kommt Luca und macht Parkour Moves über das Feuer. Er spielt gleichzeitig auch noch Mundharmonika und fliegt auf seinen Vater zu. Wirft ihn dabei um. Der läßt sich gerne fallen. Sie balgen auf der Erde.

UROPA

Luca, du Vogel!

Beat (auch 10, auch blond aber kräftig und Luca’s Stiefbruder) legt seine Gitarre umständlich weg, rückt sich seine Baskenmütze zurecht, reibt sich die Fußsohlen auf dem Boden. Dann geht er zur Glut.

 

Oskar hält sich die Augen zu. Guckt dann doch zwischen zwei Fingern durch.

 

Beat zögert immer noch und läuft dann drüber.

BERT PFEFFERKORN

Jetzt gehörst Du dazu, Beatolino!

Er wuschelt Beat durch die Haare. Alle geben Beat high five. Ist Beat unangenehm, er guckt weg.

Cassia druckst herum.

CHOR

Cassia! Cassia! Cassia!

TINEMAMA (40) mit Baby auf dem Arm legt einen Arm um Cassia. In einem Rollstuhl daneben sitzt Mara (5) und pennt. Tinemama nimmt Cassia an der Hand und geht über die Glut. Cassia geht neben der Glut.

Bert nimmt Tinemama in Empfang. Oskar macht das verwitterte und aus den Angeln hängende Gartentor auf. Tinemama und Bert  küssen sich leidenschaftlich.

OSKAR

(leise)

Igitt!

Beat entdeckt Oskar und kommt auf ihn zu.

BEAT

Du warst Samstag nicht bei unserem Sommerfest?

Beat zieht Oskar am Arm in Richtung Feuer. Oskar lässt sich nicht ziehen.

OSKAR

Ich war bei Papa.

BEAT

Wir nehmen die neuen Trommeln mit. Willst Du mal probieren? Endgeil.

Beat versucht weiter ihn in Richtung der Trommeln zu ziehen.

Oskar bewegt sich hin und her, auf der Stelle.

OSKAR

Ich wollte fragen… (ob ich mit Euch an die Ostsee kommen kann?)

Branka kommt zu den beiden.

BRANKA

Beatolino, hast Du schon gepackt?

OSKAR

Wo fahrt ihr eigentlich hin?

BEAT

Nach Prora.

OSKAR

Cool, zur Naziruine?

BEAT

Am Strand ist da so ein großes Camp.

BRANKA

Ich würd viel lieber hier bleiben.

BEAT

Die Erwachsenen sind nachts immer tanzen und wir müssen uns tags um die Kleinen kümmern.

BRANKA

Es ist kalt und feucht und überall Sand.

OSKAR

Ich würde total gerne mitkommen.

BEAT

Soll ich fragen?

Oskars Handy vibriert in seiner Tasche. Er nimmt es raus. Versucht schnell drauf zu drücken. Dabei fällt es runter. Mackies Stimme penetrant als Klingelton zu hören.

MACKIE

Schatzi! Schatzi! Schatzi!..

Bert hört auf Tinemama zu küssen.

BERT PFEFFERKORN

Keine Handys auf meinem Grundstück!

UROPA

Soweit ich weiß, bin immer noch ich der Kapitän von diesem Kahn!

Oskar stellt endlich den Ton ab.

TINEMAMA

Kids, ihr müsst noch packen.

BRANKA

Oskar wollte noch mit uns Trommeln.

Oskars Blick fällt auf den bunt bemalten Hippiebus, der halb beladen ist. Die Tür an der Seite steht offen.

OSKAR

Ich muss auch total dringend noch was vorbereiten.

Er winkt und ist auch schon auf seinem Rad. Die Strassenlaternen schalten sich nacheinander aus. Oskar schaltet am Fahrrad hektisch mehrere Lichter an.

3INNEN. DACHBODEN OSKAR  - NACHT3

Aus einer der Kisten zieht Oskar vergilbte Architekturpläne. Die Tür geht auf und seine Mama Anne Müller kommt rein. Oskar versucht die Pläne zu verstecken. Er rollt sie zusammen.

ANNE MÜLLER

Wo warst Du so lange?

Oskar zeigt auf den High-Tech Schlafsack neben sich. Mini-Klein.

ANNE MÜLLER

Was hat Dir denn Papa noch gegeben?

Anne Müller kommt näher. Sie bückt sich unter einer alten Wäscheleine durch. Jeder ihrer Schritte wirbelt die Daunen auf dem Boden wieder auf.

OSKAR

Das ist nicht von Papa.

Oskar boxt mit der Papierrolle die Daunen.

ANNE MÜLLER

Ich will nicht, dass Du mich bedrohst.

Sie nimmt ihm die Papierrolle ab. Und rollt sie aus. Ein langes Gebäude mit unzähligen Fenstern. Oben rechts in der Ecke steht Prora.

OSKAR

Mein neues Modellprojekt. Das längste Gebäude der Welt!

Die Mama will ihm durch die Haare wuscheln, aber Oskar entzieht sich erfolgreich und grinst.

4AUSSEN. HIPPIEBUS / POV AUS OSKAR’S ZIMMER - TAG4

Die Hippies beladen den Bus. LAUTE MUSIK.

5INNEN. ZIMMER OSKAR - TAG5

Die Musik ist weiter zu hören. Oskar sitzt vor dem Internet. Spult in einem Film von der ZDF Mediathek herum. Bilder von der Ruine von Prora. Archivmaterial und heute.

Oskar steht auf, geht aus dem Zimmer.

Alles voller Bauklotzbauten, originalgetreu sind die U-Boothäfen der Nazis in La Rochelle mit nachgebaut, dekoriert mit selbstgemalten Hakenkreuzflaggen. Mackie läuft darin herum. Tunnel, U-Boote, Baupläne…: Jungswelt.

Oskar kommt mit einer Möhre und einem Kohlrabi wieder rein. Setzt sich damit vor den Bildschirm. In dem Dokumentarfilm werden Pläne von Prora gezeigt.

SPRECHER

Das Geheimnis von Prora ist immer noch ungeklärt. Warum ließ sich die Ruine nicht sprengen? Lagern unter den Ruinen noch Schätze? Doch jetzt wurden im Archiv von Wim Cox erstmals die Originalbaupläne gefunden.

Oskar macht ein Bildschirmfoto. Druckt den Plan aus und springt vom Tisch auf.

Oskar zerrt Stirnlampe und Taschenlampe aus seinem Schreibtisch. Dabei fliegen Bücher über Nazis, Enigma Code und mehrere U-Bootmodelle mit heraus. Oskar schnappt sich seinen Grubenhelm vom Haken neben der Tür.

6INNEN. KÜCHE OSKAR - TAG6

Oskar mit Helm, Stirnlampe und Taschenlampe reißt in der Küche Schubladen auf.

Anne Müller sitzt im Scheidersitz und meditiert.

ANNE MÜLLER

Keller?

Oskar findet eine Kerze in einer Schublade.

Anne Müller steht auf. Gibt ihm ein Feuerzeug aus ihrer Tasche. Dann stopft sie Handy und einen Stapel CDs in ihre große Umhängetasche.

ANNE MÜLLER

Ich muss los. Du schaffst das!

Auf dem Tisch stehen 7 Tupper Boxen mit TAG 1, TAG 2, usw. beschriftet. Auf jeder steht Oskars Name.

 

ANNE MÜLLER

Papa holt Dich dann vom Camp ab, Schatzi.

Sie küsst ihn auf den Helm. Er wischt sich die Backe ab. Sie geht raus.

7INNEN. KELLER - TAG7

Oskar weiter in voller Ausrüstung, geht in den frisch gestrichenen strahlend weißen, sauberen Keller. Dort steht eine große rote Reisetasche. Den Inhalt leert er auf dem Boden aus. Das Deckenlicht geht aus. Oskar wird panisch und zieht die Reisetasche hinter sich die Treppe hoch. Mit Schnappatmung.

8INNEN. ZIMMER OSKAR - TAG8

Die Tasche stellt er in seinem Zimmer ab. Mackie hüpft auf die Reisetasche. Er versteckt sich darin. Von draußen hört man das HUPEN des Hippiebusses.

OSKAR

Ich kann dich doch nicht hier alleine lassen.

Oskar sackt in sich zusammen.

MACKIE

Schatzi.

Mackie klettert aus der roten Tasche heraus, die dann auch zusammensackt.

Oskar nimmt ein herumliegendes Fernrohr und guckt damit aus dem Fenster. Er sieht den Uropa auf der Veranda sitzen und Zeitung lesen. Oskar entdeckt eine merkwürdige Spange an seiner Brust. Taue und ein Fisch.

OSKAR

Die kenn ich!

Wild sucht er in den Bücherstapeln in seinem Zimmer. In einem Buch über Orden und Ehrenabzeichen findet er sie:

 

Marine Kampfabzeichen der Kleinkampfmittel, 7.Stufe 1944-1945. Die Goldstufe dieser Kampfspange bis zum Kriegsende - nur ein Muster, wurde so nie verliehen.

Oskar vergewissert sich nochmals. Die Spange am Uropa ist aus Gold.

Oskar schnappt sich einen Zettel. Schreibt drauf: „Bitte Mackie füttern.“

Den Papagei sperrt er in den Käfig und schüttet die ganze Futtertüte auf den Boden und hängt frisches Wasser an. Dann schnappt er sich noch den Kohlrabi und die Möhre von seinem Tisch und schiebt sie zwischen die Gitterstäbe.

OSKAR

Wenn ich den Schatz hab, bring ich Dir endlich sprechen bei!

Mackie nickt.

OSKAR

Du sollst sprechen, nicht nicken.

Mackie klettert im Käfig ganz nah an ihn heran und hält ihm den Schnabel zum Abschiedskuss hin.

MACKIE

Schatzi!

OSKAR

Ich komm bald wieder.

Dann stopft Oskar noch ein paar Sachen in die Reisetasche, auch die vergilbte Papierrolle vom Dachboden. Den Zettel zwischen den Zähnen, wirft er noch einen Blick in den Spiegel. Setzt sich ein weißes Stirnband auf, dass seine Ohren einigermaßen anlegt. Er streicht seine lagen Haare darüber.

9INNEN. REISETASCHE - TAG9

Oskar schreibt im Dunkeln eine SMS an seinen Papa: „Nicht im Cämp abholn. Bleib doch bei Mama.“ Er atmet tief durch und zieht die Reisetasche von innen ganz zu. Es ist dunkel.

OSKAR

Ein, Zwei.

Er macht die Reisetasche wieder einen winzigen Spalt auf. Atmet erleichtert aus.

10AUSSEN. VOR VILLA - TAG10

Die rote Reisetasche wird von Beat in den Bus geladen.

BEAT

Ey, wer hat die denn gepackt?

Luca kommt ihm zur Hilfe.

LUCA

Du Schwachmat!

Unsanft landet Oskar in der Tasche als Fußablage im Fußraum der Sitze. Der Bus fährt los. Tinemama am Steuer. Papa Bert  macht MUSIK an. Laute Musik! und HUPT dazu im Takt.

11INNEN/AUSSEN. HIPPIEBUS - TAG11

Tinemama hält das Baby auf dem Arm aus dem Bus. Es pinkelt. Das Pippi fliegt durch die Fahrgeschwindigkeit waagerecht zur Fahrbahn.

12INNEN. REISETASCHE - TAG12

Durch einen kleinen Schritt fällt stroboskopartig Licht herein. Oskar hält sich den Schritt. Er verzieht schmerzhaft das Gesicht.

13AUSSEN. PARKPLATZ/AUTOBAHN - TAG13

Der Bus parkt auf einem grauen Parkplatz. Asbesttische mit silbernen Mülleimern. Die Schiebetür geht auf und Luca, Branka, Cassia, Beat und der Uro steigen nacheinander aus.

Alle stehen/hocken vor einem abgeernteten grauen Feld in einer Reihe und pissen. Bert stellt sich dazu. Neben ihm Tinemama. Gemeinsam halten sie das Baby ab. Keiner bemerkt, dass Oskar aussteigt und um den Bus herumläuft.

Als Luca sich die Hose wieder zumacht, versucht Oskar aufzuhören zu pinkeln, aber es geht nicht.

BERT PFEFFERKORN

(zu allen, die noch pinkeln)

Los, wir spielen um vier.

Oskar versucht unbemerkt in den Bus zu schlüpfen als alle anderen schon drin sind, doch die Schiebetür knallt genau vor seiner Nase zu.

Deshalb rennt er neben dem Bus her und hämmert mit beiden Fäusten an die Tür. Bert bremst abrupt. Damit hat Oskar nicht gerechnet, er läuft weiter trommelt ins Leere und fällt auf den Asphalt.

Luca reißt die Tür auf.

BERT PFEFFERKORN

Fuck! Wer hat denn dich eingepackt?

Bert guckt Tinemama an.

LUCA

Branka und Beat stehen auf diesen Loser!

Branka guckt zu Beat. Der schüttelt den Kopf. Branka lehnt sich zu Oskar aus dem Bus raus.

BRANKA

Warum hast Du denn nicht gefragt?

Oskar rückt sein Stirnband wieder auf die Ohren.

BERT PFEFFERKORN

Könnt ihr das mal klären, wir sind jetzt schon zu spät.

Cassia nimmt ihren Daumen aus dem Mund.

CASSIA

Ich finde, wir sollten abstimmen?

Oskar steht auf. Ist auf Brankas Höhe. Luca, Beat und Cassia schwingen sich durchs Fenster auf den Bus. Luca macht einen einhändigen Handstand auf dem Dach des Busses und turnt auch während der Konversation weiter.

LUCA

Ich bin dagegen.

Oskar guckt zu den Kids hinauf. Bert hupt.

BERT PFEFFERKORN

Macht jetzt bloß keinen Ting!

Oskar kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Branka klettert zu den anderen hoch. Bert fährt an. Die Kids wanken.

BEAT

(zu Bert)

Das ist schwarze Pädagogik!

Luca macht Akrobatik aus der Wackelpartie. Oskar läuft neben dem langsam fahrenden Bus her.

OSKAR

Ich könnte Euch ... helfen?

LUCA

Welches Instrument spielst du denn?

BEAT

Oskar kann total geil singen.

LUCA

Brauchen wir nicht, kann Branka auch.

OSKAR

Ich könnte ja kochen.

CASSIA

Was denn?

OSKAR

Ich kann vegane Pizza.

KIDS UNISONO

(ironisch)

Iiiiih! - Na lecker! Wir sind Roh-Veganer! Fallobstler. Die armen Ähren!

Oskar’s Blick fällt auf den dösenden Uro.

OSKAR

Oder ich wechsel dem Opa die Windeln.

UROPA

Wenn’s Dunkel ist, hört man besser, Bürschchen.

OSKAR

Oder wenn man sein Hörgerät enhanced!

LUCA

Dann lieber wieder so’n Flüchtlingskind. Der konnte wenigstens Fußball.

Luca klettert rein. Tinemama beugt sich raus.

TINEMAMA

Was sagen eigentlich Deine Eltern?

BERT PFEFFERKORN

(zu Tinemama)

Ich hätte mich nicht sterilisieren lassen müssen, wenn du jetzt schon fremde Kinder mitschleppst.

Luca wirft Oskars rote Tasche raus. Es klirrt.

TINEMAMA

Bei Neunen fällt doch einer mehr auch nicht mehr auf.

Das Baby fängt an zu schreien. Luca hält sich genervt die Ohren zu.

CASSIA

Aber mir hast du versprochen... (, dass Du mir endlich Lesen beibringst.)

BRANKA

Immer geht's nur um die Kleinen.

BERT PFEFFERKORN

Ich entscheide! Wer nachher mit auf die Bühne will, einsteigen!

TINEMAMA

Du kannst doch den Jungen nicht hier stehen lassen.

BERT PFEFFERKORN

Branka, Du bleibst mit Oskar hier und klärst wie er nach Hause kommt.

BRANKA

Und mein Solo?

TINEMAMA

Ist doch eh viel cooler beim Abschlusskonzert.

Die Kids klettern rein. Branka springt vom Dach zu Oskar. Bert tritt aufs Gaspedal und fährt los. Die rote Tasche steht zwischen Oskar und Branka. Der Bus wird kleiner. 

Ein Opel Kadett, Bj. 1989 bremst, weil Branka und Oskar im Weg stehen. Oskar schnappt sich seine Tasche. Reißt die Tür vom Opel auf.

OSKAR

Notfall. Unsere Familie ist ohne uns losgefahren.

14INNEN. OPEL - TAG14

Oskar läßt sich mit seiner roten Tasche auf den Rücksitz plumpsen. Hält Branka die Tür auf. Auf der Hutablage steht eine eingehäkelte Klorolle in altrosa.

OPELOMA

Herzlos! Was müssen das für Leute sein, Helmut?

HELMUT (75) drückt auf die Tube. Oskar rollt die Klorolle aus. Aus seiner Tasche holt er vegetarische Streichpaste. Tomate. Sie wird zu Fingerfarbe. Oskar schreibt auf das Klopapier: HAB SCHATZKATE FÜR PRORA!. Bald sind sie auf Höhe des Hippiebusses. Oskar lässt die Scheibe herunter und das Klopapierband flattern. Seine Socken hängen als Gewichte dran.

OSKAR

Schneller!

Es weht fast bis auf Berts Windschutzscheibe. Beat, Cassia und Luca fangen an auf Bert einzureden.

Bert fährt rechts ran. Oskar läßt das Klopapier los. Der Opel hält auch. Das Klopapier fliegt noch ein Stück weiter und landet auf dem gelben Feld. Oskar und Branka steigen aus.

15INNEN. HIPPIEBUS - TAG15

BERT PFEFFERKORN

Soll dieser Junge jetzt mit in die Ferien, oder nicht?

LUCA

(zu Oskar)

Zeig erst her.

Oskar zerrt die Karten aus seiner Tasche. Uro streckt ihm die Hand entgegen. Oskar steigt ein. Der Bus fährt los. Tinemama dreht die MUSIK LAUT. Oskar strahlt. Er spricht Mara an.

OSKAR

Hey Du.

Keine Reaktion.

CASSIA

Sie kann nicht sprechen.

Beat klettert neben Oskar, der jetzt zwischen Luca und Beat und die Karte zeigt. Der Uro interessiert sich auch. Währenddessen schnappt sich Luca Oskars Tasche.

BERT PFEFFERKORN

(zu Oskar)

Und? Wissen Deine Alten Bescheid?

Tinemama zwinkert Oskar zu.

OSKAR

Klar. Die freuen sich, wenn ich Outdoor unterwegs bin.

Luca holt ein iPad mit gesprungenem Bildschirm und eine Unterwasserkamera aus der roten Tasche.

LUCA

Nice!

Die Jungs gucken den Technikkram an. Bert streckt den Arm nach hinten aus. Luca reicht ihm die Tasche.

BERT PFEFFERKORN

Wir machen fast alles. Aber solche ...Hilfsmittel... brauchen wir nicht.

Er hält das iPad aus dem Fenster.

LUCA

Du Verderber!

BERT PFEFFERKORN

Ist doch nur fremdes Leben. Dieser Müll.

Oskar springt auf und greift Berts Arm. Oskar versucht an sein iPad dranzukommen.

OSKAR

Das ist meins.

BERT PFEFFERKORN

Besitz ist total überbewertet.

Bert macht absichtlich starke Schlangenlinien mit dem Auto.

TINEMAMA

Verzicht ist das neue Haben.

Luca lässt unbemerkt das Handy von Oskar aus der Tasche in seinen Ärmel gleiten.

Der Uro hat Teile der Schatzpläne unter sein Jackett gesteckt. Bert hat ihn dabei beobachtet.

LUCA

Geh doch zurück zu Mama!

Oskar greift nochmal nach Berts Arm. Der lässt das iPad fallen. Es zerschellt auf der Fahrbahn.

BRANKA

Das ist Umweltverschmutung.

Oskar steht der Mund offen.

BERT PFEFFERKORN

Die Herstellermonopole sind doch die wahren Bösen!

Oskar setzt sich hin.

BERT PFEFFERKORN

Und Handy?

OSKAR

Hab ich nich. Strahlt zuviel.

Luca zeigt ihm das Handy in seinem Ärmel. Oskar lächelt ihn an.

BERT PFEFFERKORN

Und neulich bei uns im Garten?

Der Hippiepapa durchsucht weiter Oskars Tasche. Dabei macht das Auto mehr Schlangenlinien. Mara freut sich.

OSKAR

Das war von meiner Mama.

Bert holt alle möglichen Geräte raus, wie WiiU, 3DS und entsorgt sie in einen blauen Müllsack, den Tinemama aufhält.

OSKAR

Mann, das is sehr sinnvoll am Strand. Das vertreibt die Mücken ohne Chemie.

Das komische blaue Ding, das irgendwie vibriert landet als nächstes im Sack.

BERT PFEFFERKORN

An der Ostsee gibt’s überhaupt keine Mücken.

Ein Kompass, eine Stange und Schnüre und die Unterwasserkamera sind noch in der Tasche, auch eine dicke Taschenlampe. Bert zieht die Tupperboxen raus. TAG 1, TAG 2, TAG 3. Bert hört auf in der Tasche zu wühlen.

Die Tinemama stopft Oskars rote Tasche unter den Sitz. In den Müllsack macht sie einen Knoten. Ende der Diskussion.

UROPA

Willkommen an Bord, Junge!

OSKAR

Das Display war eh hinüber.

16AUSSEN. RUINE - TAG16

Der Hippiebus hält vor einem verrosteten Gatter. Bert stellt den Motor ab.

Die Kids haben schon ihre Instrumente in den Händen und spielen.

Die Uhr zeigt fünf vor zwölf.

TINEMAMA

Leise!

Alle Instrumente und Gespräche verstummen.

BERT PFEFFERKORN

(mit Blick auf die Uhr)

Drei, Zwei, Tatataaa!

Ein WACHSCHUTZMANN läuft auf dem Gelände der Ruine vorbei.

Als er weg ist, springt Luca aus dem Fenster des Busses, macht das Gatter auf. Sie fahren rein.

17AUSSEN. HIPPIELAGER - TAG17

Der Bus fährt so nah wie es geht an den Strand heran. Es gibt schon verstreute Lager mit anderen Familien. Im Hintergrund eine kilometerlange Ruine. Auf den ersten Blick zu erkennen: Ein Bau der Nazis.

Bert hebt den Rollstuhl heraus. Die Kids spielen mittlerweile schon die Songs für den Auftritt durch. Bert stellt Oskars rote Tasche in den Sand.

OSKAR

Ich will auch mit!

BERT PFEFFERKORN

Dann musst Du mit auf die Bühne!

Oskar guckt aus dem Fenster und legt die Stirn in Falten.

Der Uro wirft eine Liege auf den Sand und steigt aus. Bert legt Mara auf die Liege.

LUCA

Kannst Du ‚Kleingeldprinzessin‘?

Oskar schüttelt den Kopf.

OSKAR

Ich mach lieber schon mal den Schatz klar!

Oskar steigt aus. Bert wirft Oskar einen Haufen verknotete Schnüre zu.

BERT PFEFFERKORN

Für Geduldsmuskeln.

Der Bus fährt los. Die Musik ist laut. In der Fahrt machen sie die Tür zu. Stille.

Der Uropa hantiert mit einem Kompass neben Oskar. Er putzt seine Nickelbrille mit dem Zipfel seines weißen Hemdes. Oskar schmeißt die Schnüre in den Sand.

OSKAR

Miese Qualität diese Dinger.

UROPA

Die Brille hält schon seit dem Krieg. Man muss nur sorgsam mit den Dingen umgehen.

Oskar sucht in seiner Tasche. Schüttet den Inhalt aus.

UROPA

Suchst Du auch was?

OSKAR

Meine Schatzkarte.

Der Uropa rennt weiter busy mit dem Kompass hin und her.

UROPA

Bestimmt im Bus.

OSKAR

So ein Mist. Was machen Sie eigentlich da?

UROPA

Peilung.

OSKAR

Was gibt’s denn hier zu peilen?

UROPA

Unser Zeug.

Oskar blickt ihn fragend an.

UROPA

Haben wir letztes Jahr hier eingegraben.

OSKAR

Und wie?

UROPA

Backbord muss die Ecke von der Ruine bei 320° liegen und steuerbord die Kirchturmspitze bei 24°.

Der Uro bleibt stehen.

OSKAR

Und bei Nebel?

UROPA

Hier!

Der Uro zieht die Liege mit Mara drauf an den Platz und setzt sich mit drauf. Mara fängt an zu meckern. Sie knetet ihre Hände.

OSKAR

Was hat sie?

Oskar wühlt noch einmal in dem Haufen Kram aus seiner Tasche.

UROPA

Keine Ahnung. Ich versteh die nicht.

OSKAR

(zu Mara)

Hast Du Hunger?

UROPA

Die versteht uns auch nicht.

Oskar versucht Mara in den Rollstuhl zu zerren, aber der Rollstuhl kippt um.

OSKAR

Gott im Himmel!

UROPA

Du kannst ruhig du sagen.

Oskar versucht Mara zu füttern mit einer braunen Paste aus der Tupperbox TAG 1. Aber Mara dreht den Kopf weg. Immer wieder.

OSKAR

Das ist gut für Dich!

Mara dreht den Kopf wieder weg. Oskar wird sauer. Schmeißt die Schüssel in den Sand. Und nimmt sich einen versandeten Apfel. Da dreht Mara den Kopf zurück und starrt auf seinen Apfel. Er hält ihr den Apfel hin. Sie macht den Mund auf.

OSKAR

(sadistisch triumphierend)

Das ist mein Apfel.

18INNEN/AUSSEN. HIPPIEBUS/HIPPIELAGER - TAG18

Oskar durchwühlt den Bus.

Die eine Hälfte der Familie leert als Kette den Bus: Schaufeln, Schlafsäcke, Felle. Luca balanciert cool sein Surfbrett auf dem Kopf. Die andere Hälfte gräbt im Sand.

BERT PFEFFERKORN

Du, Luca - holst mit Beat die Bahnen aus dem Bus.

LUCA

Das ist unfair. Oskar chillt, und wir machen hier Kinderarbeit!

TINEMAMA

Trau du dich erstmal selber mit ner fremden Familie mit!

LUCA

Meine richtige Mama ist auch nicht da.

BERT PFEFFERKORN

Oskar, komm mal helfen!

OSKAR

Ich such erst noch die Schatzkarte.

BERT PFEFFERKORN

Du bist zu sehr im Materiellen verhaftet.

Die Kamera bleibt im Vordergrund beim suchenden Oskar, fängt aber die Action der Hippies ein.

Die Tinemama versucht das Baby an der Brust zu beruhigen. Cassia kuschelt sich auf ihren Schoß. Oskar starrt neidisch rüber. n Nach wenigen Zügen scheint das Baby keinen Durst mehr zu haben und nörgelt wieder los. Die Tinemama schiebt Cassia, die an ihrem Daumen nuckelt vom Schoß und bindet sich das Baby auf den Rücken.

Sie hilft beim Graben mit dem Baby auf dem Rücken. Zusammen  graben sie Stangen aus, alte Fenster, Geschirr in Alu-Boxen, eine zweite Sonnenliege mit dem gleichen Muster. Sie bauen die Jurte und Sonnensegel auf.

Luca rammt eine Stange in den Boden.

BRANKA

Ich schlaf draußen.

LUCA

Ich auch.

BEAT

Wo denn sonst?

In Windeseile spannen die Hippies das Zelt auf.

UROPA

Jurte klar!

Der Uro läßt sich auf die Sonnenliege plumpsen. Der morsche Stoff reißt. Der Uropa bleibt liegen. Man sieht die Schatzkarte aus seiner Weste ragen.

LUCA

Ich muss mal.

Luca verschwindet Richtung Ruine. Die schwarzen Fensterhöhlen und die unfertigen martialischen Betonmauern sehen selbst im Sonnenschein gespenstisch aus.

BERT PFEFFERKORN

Hey, warte.

LUCA

Was denn?

BERT PFEFFERKORN

An alle: Niemand geht diesmal zur Nazi-Ruine.

Oskar beugt sich aus dem Bus. Er würde die Schatzkarte beim Uro sehen. Wenn nicht genau in dem Moment Mara anfangen würde wild mit den Armen zu rudern.

LUCA

Ich wollt nur Pippi.

Luca dreht um in Richtung Meer. Alle anderen Kids rennen hinterher. 

CASSIA

(vom Meer)

Mama!

TINEMAMA

Komm her, wenn du was brauchst!

Cassia kommt hinkend angerannt.

CASSIA

Meine Wunde am Fuß brennt so im Wasser.

TINEMAMA

Salzwasser. Fördert die Heilung.

Cassia dreht um und geht tapfer mit zusammengebissenen Lippen ins Wasser. Nur Beat spielt am Rand des Wassers. Luca spritzt Beat nass, der kriegt Panik.

LUCA

Du Weichei!

Oskar hat den Bus leer geräumt.

TINEMAMA

Danke, so ordentlich war der noch nie!

Aber: Keine Schatzkarte.

19AUSSEN. MEER - TAG19

Oskar geht runter zum Meer. Branka hockt auf dem Boden mit einer Schüssel. Ihre orangen Sandalen stehen neben ihr. Sie summt mit ihrer schönen Stimme ein Lied von Adele (https://www.youtube.com/watch?v=hLQl3WQQoQ0). Oskar kommt dazu. Er beugt sich runter und spielt an den Verschlüssen der Sandalen rum.

OSKAR

Was macht ihr da?

BRANKA

Beat und ich waschen ab.

BEAT

(im Weggehen)

Ich wollt grad meine Gitarre holen.

BRANKA

(ruft hinterher)

Drückeberger.

Oskar hockt sich unterhalb von Branka. Seine Hosenbeine werden nass. Sie füllt eine große Plastikschüssel mit Meerwasser.

TINEMAMA

(ruft von Weitem)

Fi-inn! Geh mal zum Abwaschen.

Luca, der noch im Wasser ist, taucht unter und nicht wieder auf.

OSKAR

Soll ich machen?

Branka gibt ihm die Schüssel. Oskar lässt seine Hände durchs Wasser gleiten. Branka legt dreckiges Geschirr hinein. Dann schüttet sie Sand mit ins Wasser.

OSKAR

Hey, was soll das?

BRANKA

Spülmittel.

Branka setzt sich hinter Oskar und zeigt ihm, wie das Geschirr mit Sand abgewaschen wird. Oskar wäscht mit dem Sand die Teller ab, Branka spült sie im Meer nach. Sie rücken dabei immer näher aneinander heran.

OSKAR

Bei meinen Eltern muss ich nie Abwaschen.

BRANKA

Ich bei meiner Mama immer.

Branka reicht ihm einen Teller, den er spült.

OSKAR

Ist Tine gar nicht Deine Mama?

BRANKA

Nee, Tine und Papa haben sich erst später kennen gelernt.

Oskar streckt schon die Hand aus, um den nächsten Teller anzunehmen.

OSKAR

Meine Eltern sind auch nicht mehr zusammen.

BRANKA

Echt?

Oskar rückt näher, um den Teller leichter anzunehmen.

OSKAR

Manchmal ist das auch echt toll.

PAUSE

BRANKA

Nirgendsland?!

Ihre Hände berühren sich kurz bei der Tellerübergabe. Branka wirft einen Packen Besteck ins Wasser. Beat kommt mit seiner Gitarre näher. Oskar macht Beat ein Zeichen, dass er wieder gehen soll. Beat spielt die ersten Akkorde von „Yesterday…“.

OSKAR

Wenn die Wohnung leer ist, drehe ich die Musik total laut auf.

BRANKA

Meine Mama ist eigentlich immer zuhause.

Branka drückt ihm einen Teller in den Arm. Den Oskar einfach festhält.

OSKAR

Warum musst du dann abwaschen?

BRANKA

(spricht jetzt weg von Oskar)

Die ist trotzdem nicht da.

Unten in der Schüssel ist das Besteck zu hören. Oskar reißt seinen Finger aus der Schüssel. Brankas Hand zuckt, wie zur Abwehr. Oskar guckt sie fragend an. Sie fühlt sich ertappt. Er bleibt bei seinem eigenen Schmerz.

OSKAR

Verdammt!

Er hält seinen blutenden Finger fest. Dann zieht er eine kleine Flasche mit homöopathische Kügelchen aus der Hosentasche. Zählt drei ab und wirft sie sich in den Mund.

OSKAR

Notfalldingsda. Von meiner Mama.

Branka dreht sich weg. Er kann ihr Gesicht nicht mehr erkennen. Sie springt ins Wasser und taucht unter. Oskar läßt sich rückwärts in den Sand fallen. Boxt mit einer Faust in den Sand neben sich. Über ihm: die Wolken. Er schließt die Augen. Lichtflecken in Wolkenform bleiben.

Tinemama beugt sich über Oskar. Streicht ihm zärtlich die langen Haare hinter die Ohren.

TINEMAMA

Wir müssen noch was besorgen. Guck bitte nach Mara.

Tinemama, Papa Bert und Uro setzen sich in Bewegung. Oskar guckt ihnen hinterher.

UROPA

Blinde Passagiere müssen in die Kombüse.

Oskar rollt mit den Augen.

20AUSSEN. HIPPIELAGER/JURTE - TAG20

Mara fängt wieder an zu schreien.

OSKAR

(vom Meer aus)

Nicht jetzt!

Mara beißt sich auf die Hände. Oskar guckt in die Wolken. Als Mara weiter schreit, rollt er sich auf den Bauch, springt auf und läuft hin.

OSKAR

Ich versteh Dich doch auch nicht.

Mara beißt und schreit gleichzeitig.

OSKAR

TAG 1 mochtest Du ja nicht.

Mara schreit lauter. Oskar guckt Richtung Meer. Keiner der Kids mehr da.

Oskar stapelt die Tupperdosen vor ihr auf.

OSKAR

TAG 2? Rote Stückchen mit grüner Soße.

Mara dreht den Kopf weg. Oskar hält ihr TAG 3 hin. Mara dreht wieder den Kopf weg. Oskar guckt sich TAG 4 an. Er legt sich ein Handtuch über den Arm. Bietet Mara die Tupperdose an, als wäre es ein Gourmet Essen.

OSKAR

Tofu. Lauwarm. Mit gekeimten Weizengras.

Er muss lachen. Mara lacht mit. Sie guckt Oskar an. Er holt nochmal TAG 3 raus. Mara dreht den Kopf weg. Er hält ihr TAG 4 hin. Sie macht den Mund auf.

Oskar hebt feierlich den Deckel von der Tupperdose. Und steckt Mara ein Stück Tofu in den Mund. Sie beißt ihn in den Finger.

OSKAR

Au!

Mara hat den Mund in Erwartung schon wieder offen. Oskar gibt ihr das nächste Stück Tofu. Mara strahlt! Oskar hat Lachfalten um die Augen.

21AUSSEN. STRAND - TAG21

Oskar hievt Mara in den Rollstuhl. Setzt sich seine rote Tasche als Rucksack auf. Versucht den Rollstuhl in Richtung des Wassers zu schieben.

OSKAR

Mist!

Der Rollstuhl bleibt im Sand stecken. Die Sonne knallt. Oskar läuft der Schweiß runter. Er bindet Mara einen Schal vom Uropa als Sonnenschutz um den Kopf. Dann zerrt er sie aus dem Rollstuhl und versucht sie zu tragen. Maras Körper ist total schlaff. Er kommt nur wenige Meter weit. Dann holt er den Rollstuhl hinterher. Der lässt sich ohne Mara wenigstens bewegen.

OSKAR

Kannst du nicht dieses eine Mal...

Mara dreht den Kopf zu ihm.

OSKAR

...selber laufen?

Mara lacht ein bisschen crazy.

Oskar boxt verzweifelt in den Sand. Er wirft sich rittlings hin und prügelt auf den Sand ein, als sei es ein Tintenfisch, den man zartkloppen muss.

Mara streckt ihr Bein aus und berührt ihn. Oskar steht auf und guckt sich um. Beim nächsten Lager liegen Treibholzbretter. Er holt ein Treibholzbrett und legt es so vor den Rollstuhl, dass er losfahren kann.

OSKAR

Ich hol noch mehr.

Oskar schleppt drei weitere Bretter an. Zerrt Mara wieder in den Rollstuhl. Sie sieht schon ziemlich fertig aus. Klamotten hochgerutscht. Brille verschmiert.

OSKAR

Festhalten.

Und er rollt. Der Rollstuhl. Allerdings eben nur bis zum Ende der Bretter. Oskar legt die Bretter von hinten vorne an. Immer wieder.

22AUSSEN. STRAND/DÜNEN - TAG22

Oskar sucht nach den anderen Kids am Strand, in den Dünen. Dabei ist Mara ein Klotz am Bein. Aber Oskars ist das Duracell Häschen. ZUNEHMENDER ZEITRAFFER, so dass der Eindruck entsteht sie fahren immer schneller. Zunehmend strahlender Oskar.

23AUSSEN. DÜNEN - TAG23

Oskar beobachtet Luca, Branka, Beat in den Dünen von Klippen in den Sand springen. Cassia nimmt immer wieder Anlauf, aber traut sich dann doch nicht zu springen. Oskar sitzt unbemerkt auf seiner roten Tasche hinter dichtem Dünengras. Mara neben ihm.

Beat entdeckt Oskar und bewirft ihn mit Sand. Mara kriegt Sand in die Augen.

OSKAR

Pass mal auf Mara auf!

Luca stürzt sich auf Beat. Die beiden rollen durch den Sand. Luca ist stärker als Beat. Obwohl er viel kleiner ist. Er presst Beat auf den Boden.

LUCA

Ergib dich.

Beat bäumt sich auf, wirft Luca von sich runter. Aber Luca ist schnell und entkommt ihm. Luca schnappt sich Oskars Sonnenhut. Oskar springt auf, läuft Luca hinterher. Beat, der sich mittlerweile auch aufgerappelt hat, hinter den beiden her. Luca wirft Beat den Sonnenhut zu, Oskar versucht ihn zu kriegen.

CASSIA

Fängst du mich auf?

Branka stellt sich breitbeinig unterhalb der Klippe auf. Cassia springt. Genau in diesem Moment kommen auch die drei Jungs wieder um die Ecke. Alle landen auf einem Haufen und raufen. Ein Spiel. Bis auf Oskar, der wirklich zuhaut. Luca wird an der Lippe von Oskars austretendem Fuß getroffen.

LUCA

Hast du einen an der Falafel?

Er stürzt sich auf Oskar. Dreht ihm den Arm auf den Rücken.

LUCA

So, hast du jetzt noch was zu sagen?

OSKAR

(erstickt im Sand)

Gegen dich kleinen Pimpf allemal.

Beat, Branka und Cassia rollen daneben im Sand. Branka wirft einen Blick herüber zu Oskar. Sie rollt sich näher heran.

Der Kampf geht weiter. Oskar und Branka bilden so eine Art Team gegen Luca und Beat. Oskar macht dabei wieder echte Schläge auch gegen Beat. Die beiden Jungs konzentrieren sich auf Oskar. Der ist heillos unterlegen. Auch Branka kann nicht helfen. Die Jungs graben Oskar immer mehr ein. Cassia kriegt Panik.

CASSIA

Stopp.

Oskar ist bis zum Hals im Sand eingegraben.

LUCA

(macht sich lustig)

Oh, die kleine Cassia hat Stopp gesagt.

Die Jungs verschwinden hinter die Düne. Beat schnappt sich Cassia und trägt sie auf der Schulter weg. Nur Mara bleibt neben dem eingegrabenen Oskar liegen.

Die Kids beobachten Oskar von oben. Beat versucht sich selbst auszugraben. Es geht nicht, er rutscht immer tiefer hinein.

ZEITSPRUNG

Oskar laufen die Tränen über das Gesicht.

BRANKA

Das reicht.

LUCA

Ich dachte Du stehst nicht so auf Kranke?

Die Jungs drücken Branka auf die Erde. Beat wirft sich auf sie. Drückt mit einer Hand auf ihre gerade erst wachsende Brust. Der Ton fällt aus. Oskar guckt in die Wolken. Er schließt die Augen. Wieder die Bilder von den Lichtflecken in Wolkenform. Oskar lächelt. Beat nimmt die Hand von Brankas Busen weg. Der Ton kehrt zurück. Branka beißt und kratzt. Branka reißt sich los.

Luca ist vor ihr da, reißt Beat sein Stirnband ab.

Die Kids zischen los in die unweit des Strands liegenden Ruinen.

Branka gräbt Oskar aus.

OSKAR

Warum macht ihr das?

BRANKA

Eine Gemeinschaft ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied.

Mara lacht laut auf.

OSKAR

Das ist ein Scheiß Ritual.

Oskar sammelt sein Stirnband auf.

BRANKA

Du musst ja nicht mitmachen.

Branka geht auch in Richtung Ruine. Oskar steht auf und rückt seine Ganzkörper-UV-Schutz Kleidung zurecht. Er bleibt unschlüssig stehen.

24INNEN/AUSSEN. RUINE/GÄNGE - TAG24

Oskar kommt total erschöpft mit der Bretter-Technik mit dem Rollstuhl zur Ruine. Er findet einen Eingang, schiebt sich sein Stirnband zurecht.

Oskar lässt sich rückwärts neben Mara fallen und holt eine Flasche mit Wasser aus der roten Tasche. Mara starrt auf die Flasche.

OSKAR

Heißt das, Du willst auch was?

Oskar richtet Mara im Rollstuhl wieder auf und gibt ihr aus  der Flasche zu trinken. Das klappt gar nicht. Alles läuft wieder aus ihrem Mund raus.

Branka beobachtet Oskar von einem der Seitenflügel aus.

OSKAR

(zu Mara)

Warte!

Oskar holt eine Tasse aus seiner Tasche und probiert es wieder. Es klappt. Mara trinkt aus einer Tasse.

Branka sieht es. Sie zieht Beat auch ans Fenster.

BRANKA

(flüstert)

Mara trinkt bei Oskar aus einer Tasse.

Oskar setzt die Tasse ab.

OSKAR

Fertig?

Mara kneift die Augen zusammen.

OSKAR

Heißt das „ja“?

Mara kneift wieder die Augen zusammen.

OSKAR

Ja!

Oskar packt Flasche und Tasse wieder ein. Dabei dreht er sich beschwingt um sich selbst. Seine langen Haare fliegen. Er kommt zum Stehen. Schnappt sich den Rollstuhl.

OSKAR

Die besten Fahrer der Welt versammeln sich.

Oskar beginnt mit Mara im Rollstuhl zu rennen.

OSKAR

Sogar der Bundespräsident ist schon eingetroffen.

Mara lacht laut.

OSKAR

Müller gegen Pfeffer. Müller ist gut weggekommen. Und auch Pfeffer kommt top weg.

Vom Seitenflügel guckt Branka zu. Sie lächelt.

OSKAR

Müller geht in die Serpentinen.

Oskar weicht herumliegenden Teilen in der Ruine aus. Mara wird hin- und hergeworfen.

Branka setzt sich in Bewegung und rennt jetzt auch.

OSKAR

Kriegt er sie? Ich hab ihn schon dran gesehen!

Branka ist vor Oskar an der Stelle, wo beide Flure in einem Saal zusammenlaufen. Sie breitet die Arme aus. Ein lebendiges Stoppschild.

OSKAR

Den kann er nicht halten, Aaaarhh.

Oskar rast auf sie zu.

OSKAR

Entgeht Müller einem bösen Unfall?

Oskar bringt Mara so knapp vor Branka zum Stehen, dass sie vornüber aus dem Rollstuhl kippt. Branka ist darauf nicht vorbereitet. Alle drei kippen um. Und lachen.

25INNEN. RUINE/SAAL - TAG25

Luca, Beat und Cassia kommen aus anderen Eingängen in den Saal.

OSKAR

Darf ich mitspielen?

BEAT

Wenn Oskar mitmacht, können wir nicht mehr aufs Dach.

OSKAR

Quatsch.

BRANKA

Na, wie willst du denn den Rollstuhl da hoch kriegen?

CASSIA

Wir können ja abstimmen.

Die Kids bilden einen Kreis und nehmen auch Mara in ihre Mitte.

BRANKA

Wer ist dafür, dass Oskar mitmacht?

Nur Branka hebt die Hand.

Oskar steht etwas abseits.

OSKAR

Wir können doch den Schatz zusammen suchen.

Luca wendet sich jetzt erstmals in Oskars Richtung.

LUCA

Du hast doch die Schatzkarte verloren.

OSKAR

Aber ich hab sie noch im Kopf.

Oskar schließt die Augen. Und so wie vorhin die Wolken als Lichtflecken geblieben sind, sehen wir invertiert den Schatzplan und mit Hand daneben gekritzelte Zahlen. Die Zahlen sind unscharf.

BEAT

Und warum hast Du dann den ganzen Bus durchsucht?

Oskar zieht die Ausdrucke von der Fernsehsendung aus der Tasche.

OSKAR

Das hier sind Fotos von den Originalplänen.

BRANKA

Ja, aber da ist doch kein Schatz drauf.

OSKAR

Nein. Die Originale hat sich bestimmt Euer Uropa unter den Nagel gerissen.

CASSIA

Wie kommst Du denn darauf?

OSKAR

Der Uropa hat eine Medaille von der Marine.

LUCA

Klar, der war U-Boot Kapitän!

BEAT

Genau. Und deshalb weiß er von irgendeinem Schatz hier am Meer?

LUCA

Jetzt komm mal aus dem Knick!

OSKAR

Auf dem Originalplan waren Zahlenangaben. Damit konnte man die Position des Schatzes peilen.

LUCA

So ein Schwachsinn.

OSKAR

Ich kann’s beweisen.

Oskar breitet die Ausdrucke nebeneinander auf dem Betonboden aus. Die Linien darauf ähneln der Bucht und der Ruine. Er zeigt auf Gänge, die weit ins Meer ragen. Sie müssen unter der Wasseroberfläche sein.

OSKAR

Einer von denen ist der Eingang.

BRANKA

Nee, da ist das Meer.

OSKAR

Ja, da ist jetzt das Meer, aber vielleicht kommt man ja auch von Land dahin.

BEAT

Ein Tunnel?

OSKAR

Wir müssen nur wissen welcher.

LUCA

Zuviel Phantasie der Bengel!

OSKAR

Wir müssen auf Dach. Da kann ich Euch die Tunnel im Meer zeigen.

BRANKA

Und Mara?

OSKAR

Die nehm ich.

Sie rennen alle los. Oskar nochmal zurück und holt den Rollstuhl.

26AUSSEN. RUINE - DÄMMERUNG26

Oskar bindet sich Mara mit seinem Pulli und Cassia’s Schnuffeltüchern auf den Rücken. Die Kids geben ihm Räuberleiter auf einen Baum. Oskar schwankt, aber klettert immer höher. Die anderen Kids sind auch alle im Baum. Bis auf Beat der unten steht und mit einem Seil sichert.

Cassia und Luca klettern wie kleine Affen voraus. Im Wipfel ist ein Seil mit Knoten drin. Luca schwingt sich als erster rüber. Cassia zögert. Braucht ihr Schnuffeltuch. Nuckelt kurz dran und dann traut sie sich. Es ist nicht sehr weit. Beat ist jetzt auch oben, wirft Oskar’s Tasche vom Baum aufs Dach. Hier wachsen mittlerweile an einigen Stellen Gräser und Blumen. Es gibt kleine Regenwassertümpel.

Oskar zögert. Es ist hoch. Er guckt runter. Alles fängt an sich zu drehen. Der Boden kommt näher (Vertigo). Oskar klammert sich verzweifelt am Baum fest.

Branka schwingt ihm das Seil rüber. Die Hand mit der er das Seil schnappen müßte bleibt am Baum.

Branka schwingt es noch einmal. Oskar verharrt unbeweglich. Mit Schnappatmung.

BRANKA

Du schaffst das.

Oskar guckt zu Branka. Beat schnappt sich das Seil von ihr und schwingt sich zurück zum Baum.

BEAT

Soll ich Mara nehmen?

Mara guckt weg.

OSKAR

Ich glaub ich kann das.

Mara kneift die Augen zusammen.

BEAT

(zu Oskar)

Mach die Augen zu!

Beat reicht ihm das Seil. Oskar greift es mit geschlossenen Augen.

BRANKA

Geil, unsere Vorratskiste ist noch da.

Oskar guckt wieder nach vorne. Er schwingt sich los. Und dann ist er auch schon da. Branka fängt ihn auf.

27AUSSEN. RUINE/DACH - DÄMMERUNG27

Oskar legt sich auf den Rücken, um Mara abzulegen. Neben ihm ein Kreis aus verrußten Steinen.

BRANKA

Die Kiste geht nicht auf!

Luca tritt dagegen. Aber nichts tut sich.

LUCA

Häßlo! Die kriegen wir nie auf.

OSKAR

Doch, Hebelwirkung. Ihr

(er zeigt auf Cassia und Branka)

macht da von der Armierung ein Stück ab. Und ihr beiden könnt mit mir schon mal einen Angriffspunkt einhämmern.

Oskar schnappt sich einen Stein und fängt sofort an. Luca und Zépyhr kloppen mit.

Die Mädels kommen kurze Zeit später mit einer verrosteten Stange wieder.

OSKAR

Hier.

Die Mädels setzten die Stange an der Kerbe an.

OSKAR

Hält!

Nach und nach hängen sich die Kids an die Stange. Doch nichts geht. Die Stange ragt hoch oben in die Luft. Luca hangelt sich bis ans Ende. Cassia krabbelt auf der Stange wie ein Affe bis ans Ende. Und sie bewegt sich. Ganz langsam. Beat, Branka und Oskar müssen auch noch drauf, bis der Hebel stark genug ist und der Deckel sich von der Kiste löst.

BEAT

Yeah!

Alle purzeln durcheinander. Luca gerät gefährlich nah an die Dachkante.

Dann hocken sie, die Köpfe zusammengesteckt über der Kiste.

BRANKA

Geil.

Streichhölzer, Dosen mit weißen Bohnen. Ein Alutopf mit schwarzem Boden.

LUCA

Mega, aber wo ist jetzt dieser echte Schatz?

Oskar hält sich die Hand vor die Augen und guckt aufs Meer. Dann zeigt er aufgeregt.

BEAT

Da sind schwarze Dinger im Meer.

LUCA

Krass, Delphine in der Ostsee?

OSKAR

Das sind U-Boot Tunnel.

BEAT

Hier?

LUCA

Sagt Uro auch immer.

Die Sonne geht unter. Es wird dunkler.

BRANKA

Morgen holen wir den Schatz!

Beat beginnt zu trommeln. Branka zählt an mit den Fingern:

BRANKA

A one, A one, two

Die Kids steigen ein mit Percussion auf der Bohnendose, dem Alutopf mit den Löffeln aus der Kiste. Und natürlich Luca an der Mundharmonika.

Die Kids feiern. Die Jungs TROMMELN. Branka singt und tanzt mit Cassia. Mara freut sich. Die Kids machen ein Feuer auf dem Dach. Beat lässt an einer Schnur aus Oskars Tasche eine alte Einkauftüte als Drachen steigen.

28AUSSEN. DACH/TREPPE - NACHT28

Oskar pinkelt vom Dach. Oder er probiert es zumindest. Weil so richtig nah an die Kante traut er sich nicht. Er beobachtet Branka am Rand des Dachs sitzen. Sie lässt ihre Beine baumeln. Vom Feuer angestrahlt sieht sie wunderschön aus.

OSKAR

Branka?

Branka dreht sich nicht um. Branka reißt Blumen die an der Dachkante wachsen aus und steckt sie sich zwischen die Zehen.  Oskar geht zu ihr hin.

OSKAR

Was ist denn los?

Jetzt dreht Branka sich zu ihm um. Sie hat geweint.

OSKAR

Bist du im Nirgendsland?

Branka dreht den Kopf weg. Oskar legt den Arm beschützend um sie. Es knistert, laut. Sie neigt den Kopf. Beat’s Plastiktütendrachen glitzert im Widerschein des Feuers und sieht wie ein kleiner Mond aus, der am Himmel tanzt.

Branka guckt, ob die anderen sie gesehen haben. Luca und Beat gucken rüber. Branka schüttelt Oskars Arm ab.

BRANKA

Denkstepuppe!

Diesmal steht Oskar auf.

29AUSSEN. RUINE/DACH - NACHT29

Beat hält die Schnur von seinem Plastiktütendrachen mit dem Fuß fest. Oskar kehrt zu den anderen zurück. Alle sitzen am Feuer, TROMMELN und Singen. 

Oskar setzt sich dazu und vorsichtig trommelt er fast unhörbar mit.

BEAT

Vergiss es. Hab ich auch schon probiert. Aber die wird eh mal Nonne.

Beat lässt den Plastiktütendrachen los.

OSKAR

Aber sie ist doch Deine Schwester?

BEAT

Stiefschwester.

Die Plastiktüte schwebt langsam davon. Branka kommt zu den anderen wieder dazu. Oskar’s Trommel kommt ins Stocken. Mara fängt auf einmal an zu zittern.

OSKAR

Oh mein Gott. Was ist denn mit Mara los?

BEAT

Shit. Sie braucht ihre Medikamente.

OSKAR

Und wenn sie die nicht kriegt?

CASSIA

Dann krampft sie.

OSKAR

Was heißt denn das?

Cassia legt sich auf den Boden und 'spielt' Krampfanfall.

BRANKA

Jetzt mach keinen Scheiß.

OSKAR

Wir müssen die Feuerwehr rufen.

BEAT

Hast Du ein Handy?

Oskar guckt zu Luca.

LUCA

Scheiß Akku!

OSKAR

Ich hab ein Seenotsignal. Dann könnten Eure Eltern uns holen.

LUCA

Die Ruine war tabu, Alter.

BRANKA

Du und Dein Scheiß Schatz!

Die Kids schwingen sich in Null-Komma-Nix auf den Baum rüber. Das Sichern des Seils können sie im Schlaf. Selbst Cassia zögert nicht beim Absprung. Beat verteilt mit dem Alutopf Wasser auf der Feuerstelle. Die Flammen erlöschen.

BEAT

Ich nehm Mara.

Oskar hilft Beat Mara, die spastisch wackelt und an deren Augen nur noch das Weiße zu sehen ist, auf den Rücken zu binden. Das Seil kommt angeschwungen. Beat schnappt zu und springt. Das Seil knarzt laut, dann reißt es, doch Beat kann sich und Mara dank Sicherung im Baum auffangen.

BEAT

Oskar?

Beat wirf das abgerissene Seil aufs Dach.

OSKAR

Ich komm schon klar!

Das Seil liegt wie eine eingerollte Schlange neben Oskar.

Weit oben am Himmel leuchtet im Mondlicht der Plastiktütendrachen.

30AUSSEN. STRAND/FEUERSTELLE - NACHT30

Alle Kids, außer Oskar sitzen um die Feuerstelle. Mara schläft entspannt in den Armen von Tinemama.

31AUSSEN. RUINE/DACH - NACHT31

Oskar liegt auf dem Bauch und robbt an die Kante des Dachs heran. Ein Sog nach unten.

Eine Eule fliegt aus dem Geschoss unter ihm. Oskar schreckt zurück. Er zittert.

Oskar holt das Seil. Bindet es an einer herausstehenden Stahlarmierung fest und lässt es herunterbaumeln. Es würde ihn bis zum nächsten Stock bringen.

Er zerrt daran herum. Versucht, ob es reißt, wenn er sein Gewicht dagegen stemmt. Es ist morsch. Macht beängstigende GERÄUSCHE.

Oskar sieht einen Taschenlampenstrahl neben der Ruine. Er lässt sich wieder auf den Boden fallen.

Dann robbt er zurück zur Kante.

Der Wachschutzmann biegt um die Ecke. Die Taschenlampe ist nicht mehr zu sehen. Eine Wolke schiebt sich vor den Mond. Es ist stockdunkel. Oskar kriegt Schnappatmung.

Er steht wieder auf, geht dem Wachmann hinterher. Der steigt in seinen Wagen ein. Greift nach dem Griff der Autotür.

OSKAR

(ruft)

Halt!

Der Wachschutzmann zuckt zusammen. Dann steigt er wieder aus.

OSKAR

Ich bin hier oben!

32AUSSEN. HIPPIELAGER - NACHT32

Die Feuerwehrsirenen sind vom Strand aus zu sehen. Sie beleuchten die Ruine, die jetzt noch gespenstischer aussieht.

Am Himmel tanzt winzig klein noch der Plastiktütendrachen. Weit draußen über dem Meer.

Alle sitzen ums Lagerfeuer und grillen Maiskolben. Die Hitze des Tages ist noch zu spüren. Tinemama hat das Baby an der nackten Brust. Eine Mücke surrt um den Kopf des Babys.

Ein im Gesicht tätowierter FEUERWEHRMANN in Reflektoranzug nähert sich dem Lager. Alle verstummen.

FEUERWEHRMANN

Sind Sie hier die Erziehungsberechtigten?

TINEMAMA

Ja, worum geht's denn?

Oskar tritt aus dem Schatten des Feuerwehrmanns.

OSKAR

Ich war in der Ruine!

Papa Bert stützt den Kopf in die Hände. Als könne er das so alles von sich abhalten.

FEUERWEHRMANN

Einsatzleitwagen, Drehleiter, 6 Beamte im Einsatz. Ist Ihnen klar, was da für Kosten auf Sie zukommen?

OSKAR

Aber es war doch meine Schuld.

FEUERWEHRMANN

Aber Du konntest das doch gar nicht abschätzen. Deine Eltern..

OSKAR

Das sind nicht meine Eltern.

FEUERWEHRMANN

Du hast aber doch gesagt, wir sollen Dich bei Deiner Familie abgeben.

Tinemama nimmt Oskar in den Arm.

UROPA

Der Junge ist ja ganz verschreckt.

FEUERWEHRMANN

Sie tragen die Aufsichtpflicht. Also zahlen sie den Einsatz.

BERT PFEFFERKORN

Einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche greifen.

FEUERWEHRMANN

Dann müssen sie es eben in Arbeitsstunden ableisten.

Oskar greift nach der Hand des Feuerwehrmanns.

OSKAR

Ich habe gespart.

FEUERWEHRMANN

(wendet sich Bert zu)

Ich kann ihnen auch ein Strafverfahren auf den Hals hetzen.

UROPA

Jetzt lassen Sie mal gut sein. Das sind doch nur Kinder.

TINEMAMA

Wieviel ist es denn?

FEUERWEHRMANN

50, 41 plus 37 mal sechs. So 20 Stunden.

BEAT

Wenn wir das alle zusammen machen, dann sind es gerade mal 2 Stunden.

Oskar lässt die Hand des Feuerwehrmanns los.

OSKAR

Wir könnten das Feuerwehrauto waschen.

TINEMAMA

Da spielen wir lieber und bezahlen dann.

FEUERWEHRMANN

Was spielen Sie denn?

BRANKA

Na wir sind die Abschlussband vom Pavillionkonzert.

FEUERWEHRMANN

Die heute Abend gespielt hat?

Luca spielt die Melodie des letzten Liedes auf der Mundharmonika vor.

FEUERWEHRMANN

Deal! Sie spielen morgen Abend auf dem Fest der Feuerwehr.

BRANKA

(ironisch)

Oskar kann total toll singen!

FEUERWEHRMANN

(gespielt ernst)

Junge Frau,

(er guckt in Richtung Brust, wo das Baby schläft)

Sie wissen schon, dass nach §13  Absatz e) offenes Feuer am Strand nicht erlaubt ist.

TINEMAMA

Nein, weiß ich nicht.

BEAT

Warum ist es denn verboten?

FEUERWEHRMANN

Weil man nie weiß, wie der Funkenflug ist, kleiner Junge.

Er setzt Beat die schief sitzende Baskenmütze gerade.

BEAT

Kleiner Junge.

Beat tippt sich an den Kopf. Die Tinemama stößt ihn an. Von hinten kommt ein Kollege mit vielen Sternen an der Uniform dazu.

FEUERWEHRMANN 2

Na, Horst, ist auf dem Hippiestrand immer noch gut Beute zu machen?

FEUERWEHRMANN

Ich muss Sie bitten, die Feuerstelle unverzüglich zu löschen.

BERT PFEFFERKORN

Ja, werden wir machen.

Der Feuerwehrmann geht mit seiner Taschenlampe Richtung Meer, wo eine weitere Feuerstelle lodert. Der andere wendet sich auch ab.

CHOR

Tschüss. Bis zum nächsten Mal. Schönen Abend noch. Kommt gut nach Hause.

CASSIA

Ich will meinen Maiskolben aber nicht roh essen.

BERT PFEFFERKORN

Der geht doch gleich wieder. Wir machen das Feuer jetzt nicht aus.

Branka schlägt sich auf die nackte Schulter, wo eine Mücke gelandet ist. Alle anderen fangen auch an um sich zu schlagen. Ein Schwarm. Jeder sucht sich was zum Anziehen, sprühen sich mit Autan um sich. Oskar versucht der Chemiewolke auszuweichen.

Er steht abseits.

OSKAR

Wir könnten jetzt das Anti-Mücken Gerät holen!

Keine Reaktion der Gruppe.

Am Himmel leuchtet der Plastiktütendrachen als winziger Punkt. Dann stürzt er herab ins Meer.

Als alle wieder am Feuer sitzen kommt der Feuerwehrmann mit seinem Kollegen zurück.

FEUERWEHRMANN 2

Wenn Sie diese Feuerstelle nicht unverzüglich löschen, stelle ich eine Strafanzeige.

Bert geht mit einer großen Schüssel zum Meer. Die Kids folgen und bilden eine Kette. Der Feuerwehrmann bleibt stehen, bis nichts mehr qualmt.

FEUERWEHRMANN

Gute Nacht noch.

Die Tinemama holt Dosen mit Fleischravioli.

TINEMAMA

Die müssen wir jetzt wohl kalt essen.

LUCA

Ich mach kein Soli für den Mongo!

Die Tinemama füllt die Ravioli in die Schüsseln. Branka zieht ihre Schüssel weg und funkelt Oskar böse an. Als Oskar an der Reihe ist steht er auf.

OSKAR

Ich muss mal.

33AUSSEN. DÜNEN/SANDKLO - NACHT33

Oskar wird von Cassia an der Hand mit einer Stirnlampe in die Dünen geführt. Die Schatten sind bedrohlich. Der Wind PFEIFT durch die Halme. Sie kommen an ein Loch mit einer Schaufel daneben.

OSKAR

Is schon so dunkel.

CASSIA

Ich kann dir leuchten.

OSKAR

Nein.

CASSIA

Soll ich zurück gehen?

OSKAR

Nein.

Oskar presst die Beine zusammen. Es ist dringend.

OSKAR

Gib mir mal die Lampe.

CASSIA

Dann seh ich nichts mehr.

OSKAR

Ich kann dir meine Hand geben.

Cassia legt ihr Schnuffeltuch in die andere Hand und hält Oskar dann die Hand hin mit der Lampe. Oskar macht seine Hose auf und hockt sich hin. Cassia lässt seine Hand nicht los und hockt sich daneben.

OSKAR

Es geht nicht.

CASSIA

Du musst DRÜCKEN!

Sie lachen beide. Entspannung. Oskar drückt hörbar. Aber es geht trotzdem nicht. Sie gehen zurück. Luca kommt ihnen mit seiner Stirnlampe entgegen.

LUCA

Und?

Cassia schüttelt den Kopf.

LUCA

Dann muss der Kleine wohl abgeholt werden, wenn er nicht kacken kann.

Oskar zieht Cassia weiter.

LUCA

Eine Runde Mitleid für Oskar!

Oskar steckt seine langen Haare hinter seine abstehenden Ohren. Ihm ist es mega peinlich.

34INNEN/AUSSEN. RUINE - NACHT34

Um die Ruine ist an den Bäumen entlang Flatterband gespannt. Daran hängen „Betreten Verboten“ Schilder.

Oskar bückt sich, um unter dem Flatterband hindurch zu gehen. Er leuchtet mit seiner Lampe hinein. Es macht grässliche Schatten. Oskar sammelt Steinchen auf und wirft sie in die Ruine. Sie hüpfen.

OSKAR

Eins, Zwei.

Das Steinchen schlägt gegen Metall.

OSKAR

Drei.

Oskar atmet aus.

Dann ist es wieder still.

Oskar setzt sich in den Schneidersitz ins hohe Gras. Man hört die Käfer krabbeln. Die Zeit bleibt stehen. Die Käfer bewegen sich nicht mehr. Aber auf der Tonebene: Auf einmal fängt es an zu Summen. Ein Mückenschwarm attackiert Oskar.

Er springt auf, zieht sich mühelos an einem Fenster ohne Glas hoch und ist in der Ruine. Nach ein paar Schritten steht er in dem Saal, wo er mit Branka zusammengestoßen ist. Oskar leuchtet mit seiner Stirnlampe alles ab. Hinter einer Säule blitzt das Metall des Rollstuhls. Oskar setzt sich rein und übt damit fahren. Zuerst geht es nur mühsam voran.

Doch dann kommt er an eine Rampe. Der Rollstuhl gewinnt an Fahrt. Oskar verliert die Kontrolle und der Fahrstuhl knallt gegen das Geländer am Ende der Rampe. Oskar fliegt in hohem Bogen ins Gras. Der Rollstuhl klebt merkwürdig verformt am Geländer.

OSKAR

Scheiße.

Oskar versucht den Rollstuhl wieder gerade zu biegen. Klappt so gar nicht. Erst danach guckt er an sich runter, seine Hose ist zerrissen und er hat eine riesige Schramme am Bein.

35AUSSEN. HIPPIELAGER - NACHT35

Oskar kommt zum Lager geschlichen. Alles ist ruhig. Der Uro schnarcht laut.

BERT PFEFFERKORN

Kinderquatsch.

Tinemama kitzelt ihn. Er kichert. Oskar duckt sich hinter die Jurte.

BERT PFEFFERKORN

Nee, im Ernst. Lass uns endlich Ferien machen.

TINEMAMA

Ich dachte Du magst Schatzsuchen.

BERT PFEFFERKORN

Ich mag Dich.

Oskar rollt mit den Augen. Als nur noch die KNUTSCHGERÄUSCHE zu hören sind, legt er sich unbemerkt in seinen Schlafsack

AUFBLENDE:

36AUSSEN. STRAND - FRÜHER MORGEN36

Oskar liegt in seinem Schlafsack. Der Wind RASCHELT. Eine haarige Sandspinne krabbelt über seine Hand.

OSKAR

(kreischt)

Iiiiiih!

Oskar guckt sich um. Leuchtet mit seiner Taschenlampe herum.Keiner ist wach geworden. Er legt sich wieder hin.

Die GERÄUSCHE VON WIND UND WASSER werden immer lauter. Oskar wälzt sich in seinem Schlafsack umher. Dann kriecht er schließlich heraus. Und schüttelt den Sand aus seinem Schlafsack. Er legt sich wieder hin.

Die Tinemama kommt nach den Kids gucken. Oskar tut so, als ob er schläft. Wind zerzaust seine Haare. Er fängt an zu zittern.

Die Sonne geht über dem Meer auf.

Oskar kriecht aus dem Schlafsack. Er stopft sich ein Paar kalte Ravioli aus der Dose mit der Aufschrift „mit Fleischfüllung“ in den Mund und rennt Richtung Meer.

37AUSSEN. MEER - FRÜHER MORGEN37

Oskar rennt ins Wasser. Die Schramme brennt höllisch. Er beißt die Zähne zusammen.

TINEMAMA (OFF)

(von sehr weit weg, aus der Erinnerung)

.. fördert die Heilung.

Oskar schwimmt im Meer. Sein Kopf taucht in regelmäßigen Abständen auf. Er ist schon ziemlich weit vom Strand entfernt. Da taucht auf einmal der Urgroßvater neben ihm auf.

OSKAR

Warst du ein echter Nazi?

UROPA

Ich war bei der Marine.

OSKAR

Hast du jemanden getötet meine ich?

Der Uropa schwimmt neben ihm weiter.

UROPA

Soldaten töten Menschen.

Der Uro legt einen Zahn zu. Oskar zieht mit.

OSKAR

Hast Du deshalb das Marineabzeichen?

UROPA

Als Erinnerung.

OSKAR

Warst du in einem Konzentrationslager?

UROPA

Du bist ein guter Schwimmer.

OSKAR

Warum heißt das eigentlich K-o-n-z-e-n-t-r-a-t-i-o-n-s-lager?

UROPA

Sie waren nur Haut und Knochen.

Sie mussten sich gegenseitig stützen, um nicht umzufallen.

OSKAR

Du warst also da?

UROPA

Ich sollte welche Aussuchen.

OSKAR

Wofür?

UROPA

Zum Bauen.

Oskar ist aus der Puste. Der Uropa schwimmt erstaunlich schnell für sein Alter.

OSKAR

Also hast Du daran geglaubt?

UROPA

Ich habe gedacht wir gewinnen den Krieg, weil wir schlauer sind.

OSKAR

Und wo sind sie jetzt Deine Ausgesuchten?

UROPA

Sie sind tot.

Für einen Moment meint Oskar den Uropa in einer SS-Uniform schwimmen zu sehen.

OSKAR

Kannst du deshalb nicht schlafen?

UROPA

Ich kann nicht schlafen, weil du so einen Lärm gemacht hast.

Oskar taucht unter und schwimmt ein Stück unter der Wasseroberfläche.

UROPA

Deine Eltern wissen nicht, dass Du hier bist.

OSKAR

Warum?

UROPA

Na machen wir uns nix vor:

Ich bin nicht der senile Alte, der nicht mehr weiß, wo vorne und hinten ist. Und du, du bist nicht mehr der kleine Nachbarsjunge, der sich für Nazis interessiert.

OSKAR

Was willst du?

UROPA

Als der Krieg vorbei war, da waren meine Freunde alle weg. Die haben nur sich selbst gerettet.

OSKAR

Und was hat das mit mir zu tun?

UROPA

Ich hatte bei den Russen immer diesen Bernstein im Mund, damit ich weiß, was auf mich wartet.

OSKAR

Soll ich jetzt auch sowas Ekliges machen?

UROPA

Bist du ein guter Taucher?

Oskar taucht ein sehr lange Strecke.

UROPA

Der Eingang zum Tunnel wurde gesprengt. Aber du passt durch. Schwimm, wenn das Wasser niedrig ist, dann kriegst du Luft.

OSKAR

Du hast die Schatzkarte genommen! Warum sagst du mir das dann?

UROPA

Ich sag Dir wo, wenn Du mir versprichst die Dokumente in der Kiste zu zerstören, bevor Du wieder auftauchst.

Der Uropa beginnt zu Kraulen. Oskar setzt an, mit ihm um die Wette zu schwimmen, taucht dann aber unter und bläst eine Fontäne aus, wie ein Walfisch, der auftaucht.

38AUSSEN. STRAND/FEUERSTELLE - TAG38

Oskar baut im Sand das ehemalige Kraft durch Freude Gebäude nach. Er legt die vermuteten U-Boot Tunnel an.

Er versucht sich wieder an die Zahlen auf dem Plan zu erinnern. Er malt 376° in den Sand. Wischt es wieder weg. War es doch 316°?

Oskar probiert an seinem Sandmodell die möglichen Zahlen aus. aber keins liefert ein Ergebnis, was zeigen würde welcher der unterirdischen Bauten gemeint sein könnte.

Beat (mit Klettergurt) beobachtet ihn dabei.

Der Uro nähert sich ihm.

UROPA

Hast du dich entschieden?

OSKAR

Ob es gute Nazis gibt?

UROPA

Nein, ob du dazugehören willst.

CASSIA

Flüstern ist verboten!

Oskar zerstört seinen Bau. Trampelt mit den Füßen darauf rum. Nur noch Matsch.

Branka schleppt Mara an.

BRANKA

Wir gehen klettern.

UROPA

Wo denn?

LUCA

Zu den Kreidefelsen.

UROPA

Ich will mit!

OSKAR

Könnt ihr dann nicht auch Mara  mitnehmen?

Branka zeigt auf den verbogenen Rollstuhl.

LUCA

Bei Dir trinkt sie ja sogar aus einem Becher.

OSKAR

Wir können sie ja fragen.

LUCA

Fail! Die checkt’s nicht! Und Du wohl auch nicht!

Der Uro lehnt sich zu Oskar runter und flüstert ihm verschwörerisch ins Ohr.

UROPA

Peilst du’s? Klettern war mein Idee. Freie Bahn für Deine Mission!

OSKAR

Und Mara?

LUCA

Du kletterst doch sowieso nicht gerne.

BEAT

Und weil ihr Euch gut versteht, dachten wir…

UROPA

Alles was Du brauchst ist in der Kühltasche da drüben. Und jetzt los, Kiddos. Sonst ist das Gewitter früher als wir am Felsen.

OSKAR

Ich könnte Mara ja tragen?

LUCA

Wir wollen OHNE dich!

Oskar guckt zu Beat. Der klopft seine Kletterhaken an seinem Gurt aneinander. Oskar bleibt im Sand liegen.

OSKAR

Ich wollte doch nur wissen, wie das ist im Rollstuhl.

BRANKA

Tschüss, Oskar!

Am Bus hupt Bert. Die Truppe setzt sich in Bewegung.

BERT PFEFFERKORN

Wehe du gehst wieder Schatzsuchen!

Oskar guckt zu Mara hoch. Aber sie dreht den Kopf weg. Oskar laufen Tränen über die Wangen. Sie hinterlassen helle Spuren auf dem sandigen Gesicht. Aber keiner dreht sich nach ihm um. Am Himmel sind Wolken. Große, dunkle Wolken.

39AUSSEN. STRAND/SEEBRÜCKE - TAG39

Oskar liegt mit dem Kopf nach unten im Sand.

MARA

Sch, Sch, Scha..

Oskar guckt hoch. Wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. Zerrt Luca’s Surfbrett vom Lager heran. Zwischen den Zähnen die Schatzkarte aus der Kühlbox. Rollt Mara auf das Surfbrett drauf. Den Rollstuhl zieht er bis ans Ende der Seebrücke. Kommt zurück zu Mara. Schnappt sich seine rote Tasche. Bindet sich einen Strick um die Stirn, die andere Seite ans Surfbrett. So zieht er Mara bis zum Ende der Seebrücke und setzt sie in den Rollstuhl. Mara guckt in das unendlich erscheinende Meer. Wilde Wolken am Himmel. Es sieht jetzt richtig nach Unwetter aus. Er checkt die Höhe des Wassers an den ins Wasser ragenden Pfosten.

OSKAR

Keine Algen. Steht hoch.

OSKAR

Ich muss.

Mara guckt Oskar direkt an.

OSKAR

Jetzt hole ich den Beweis, dass unsere Welt existiert.

Mara zwinkert mit den Augen: „Ja“. Es stürmt noch stärker. Oskar bindet eine Schnur am Surfbrett fest. Das andere Ende um seine Fessel. Er läßt das Surfbrett ins Wasser. Läßt sich rittlings darauf fallen, paddelt auf offene Meer hinaus. Winkt Mara mit einem Kompass in der Hand zu.

40MONTAGESEQUENZ: AUSSEN/INNEN. SEEBRÜCKE/U-BOOT TUNNEL - TAG40

SEEBRÜCKE

Mara steht in ihrem Rollstuhl auf der Seebrücke. Die Wolken im Zeitraffer hinter ihr brauen sich immer unheilvoller zusammen.

U-BOOT TUNNEL

Oskar paddelt auf dem Surfbrett hinauf aufs Meer. In der Hand einen Kompass. Er dreht immer wieder um Richtung Land und peilt mit dem Kompass die äußersten Ecken der Ruine an. Als der Kompass links dreihundert anzeigt, paddelt er parallel zur Küstenlinie, bis er die andere Ecke des Gebäudes auf dreiundvierzig Grad Peilung hat. Dann läßt er sich ins Wasser gleiten. Mit seiner Taschenlampe findet er Beton. Eine Stahltür. Er bindet die Surfbrettschnur fest. Gelangt in einen Tunnel. Über ihm ein schmaler Streifen Luft. Er tastet sich vorwärts. Eine offene, verrostete Stahltür, die in einen Seitenarm führt.

Seine dicke Taschenlampe leuchtet ihm den Weg.

Und wirklich: dieser Seitenarm führt zu einem großen unterirdischen Raum. Wie auf der Karte verzeichnet.

CLOSE UP

Schatzkarte

Oskar kommt in einen überfluteten U-Boot-Hafen (THINK: DAS BOOT). Aber er findet keinen Schatz. Nichts als verrostete Stahlträger. Oskar stößt mit seiner Lampe an die Decke. Das Wasser steigt!

SEEBRÜCKE

Mara schläft vornübergebeugt im Rollstuhl.

U-BOOT TUNNEL

Oskar taucht. Nichts. Oskar kommt wieder an die schmale Oberfläche. Leuchtet mit seiner Taschenlampe die Wände ab. Algen und Rost. Er taucht wieder unter. Und endlich. Da steht eine Kiste.

U-BOOT TUNNEL

Oskar kann die Kiste öffnen aber nichts darin erkennen außer verrotteten Lappen. Er greift hinein und kriegt etwas zu fassen. Er leuchtet mit der Taschenlampe. Hier! Ein Parteibuch. Mit Hakenkreuz. Schlecht erkennbar, weil mit Wachs versiegelt. Dann muss er auftauchen, um Luft zu holen. Doch der schmale Streifen Luft ist inzwischen fast gänzlich mit Wasser aufgefüllt. Oskar stopft hektisch seinen Fund in die rote Tasche. Taucht noch einmal unter und stopft die Bernsteine, die auch noch in der Kiste sind mit in die Tasche.

SEEBRÜCKE

Der aufkommende Sturm hat den Rollstuhl bis zur Kante des Wassers getrieben.

U-BOOT TUNNEL

Panisch schwimmt Oskar den Tunnel zurück. Er bleibt mit seiner Hose an einer heraushängenden Tunnelstütze hängen. Oskar befreit sich von seiner Hose. Jetzt hängt sein T-Shirt fest. Es reißt. Er hat nur noch seine rote Tasche auf dem Rücken, ist ansonsten nackt. Seine Lampe hat einen Wackelkontakt. Wir hören, wie er im Dunkeln strampelt. Nach Luft schnappt. Schwarz.

INSERT

Das Wasser wird vom Wind zu hohen Wellen gepeitscht. Das Surfbrett springt hoch und klatscht wieder auf das Wasser. Gefährlich unrhythmisch.

SEEBRÜCKE

Wir hören wie Luca angesprintet kommt.

BRANKA

(schreit von Weitem gegen den Sturm)

Alles ok?

Mara schreckt hoch.

LUCA

Wo ist Oskar?

Branka kommt auch angerannt. Schüttelt Mara!

BRANKA

Schwimmen?

Mara kneift die Augen zusammen.

LUCA

Scheiße, Du verstehst uns nicht!

U-BOOT TUNNEL

Dunkel, das GURGELN des Wassers und dann WELLENGERÄUSCHE.

SEEBRÜCKE

BRANKA

Ist Oskar im Meer? Der spinnt wohl, dich hier stehen zu lassen.

LUCA

Das war saugefährlich.

BRANKA

Du hattest schon recht, dass der spinnt.

Von Oskar immer noch keine Spur.

Beat kommt auf die Brücke gerannt. Er sieht das Surfbrett auf dem Wasser.

ZÈPHYR

Luca, du!

Luca guckt zu Branka. Dann reißt er sich die Klamotten vom Leib und springt rein. Er krault gleichmäßig auf das Surfbrett zu.

Als er beim Brett ankommt von Oskar keine Spur. Luca taucht. Findet auch den Tunneleingang. Ohne Taschenlampe lässt sich hier fast nichts erkennen.

Doch dann sieht er Oskars Lampe schwach flackern. Er schwimmt hin. Nimmt Oskar in den Rettungsschwimmergriff.

Die rote Tasche stört. Luca will sie Oskar abmachen. Oskar wehrt sich.

LUCA

Lass doch die Tasche!

Er macht den Reißverschluss auf. Die Bernsteine kommen an die Wasseroberfläche. Sie schwimmen davon.

Oskar versucht die Bernsteine wieder einzusammeln. Mittlerweile ist alles voll davon. Oskar zerrt er die Unterwasserkamera raus.

LUCA

Wir müssen hier raus! Das Wasser steigt!

OSKAR

Ich schaff das. Alleine.

Die beiden fangen an zu rangeln. Sie haben nur noch einen kleinen Luftspalt zum Atmen. Oskar tritt. Erwischt Luca zwischen den Beinen. Der taucht kurz unter. Schluckt Wasser. Muss Husten. Hört gar nicht mehr auf. Schluckt in Panik immer wieder Wasser.

OSKAR

Wir müssen hier raus!

Er zerrt an Luca. Oskar braucht beide Hände um den hustenden Luca Richtung Ausgang zu ziehen. Er läßt die Unterwasserkamera los. Sie sinkt auf den Boden. Die beiden sehen schon den Ausgang.

WEIT DRAUSSEN

Oskar taucht an der Oberfläche auf. Holt tief Luft. Ein Gewitter bricht los. Er sieht sich um. Die Bernsteine schwimmen auf dem Meer davon. 360°. Kein Surfbrett. Oskar und Luca beginnen in Richtung Steg zu schwimmen. Aber die Strömung trägt sie eher hinaus als hinein.

Oskar zerrt ein Seenotsignal aus der roten Tasche. Und feuert ab.

Die Kids sehen vom Ufer aus das Signal.

SEEBRÜCKE

Mara fängt an rhythmisch mit dem Oberkörper hin- und her zu schaukeln, bis der Rollstuhl sich in Bewegung setzt, so dass er mit ihr über die Kante des Stegs fällt.

Beat springt ohne nachzudenken hinterher. Beat kann nicht schwimmen und rudert wie wild mit den Füßen, um sich oben zu halten. Zusammen mit Branka, die mittlerweile auch im Wasser ist, befreit er Mara aus dem Rollstuhl.

 

SEEBRÜCKE

Beat hält sich an einem Pfosten der Seebrücke fest. Seine Baskenmütze treibt ein Stück weiter. Er stößt sich ab, schnappt sich die Mütze und hundepaddelt zurück.

BRANKA

Beat schwimmt!

Bert, Tinemama mit Baby und Cassia an der Hand kommen angerannt.

BRANKA

Mara ist ins Wasser gesprungen.

TINEMAMA

Du meinst Beat.

BRANKA

Ne, der ist hinterher.

TINEMAMA

Und Luca?

Es blitzt und donnert.

41AUSSEN. STRAND/JURTE - TAG41

Oskar kommt nackt zum Strandlager, nur eine glitzernde Thermodecke um. Luca geht neben ihm. Zwei Seenotretter in voller Rettungsmontur flankieren sie. Der Sturm hat die Jurte auseinandergerissen. Alle packen mit an, um das Wichtigste zu sichern. Es strömt aus Kübeln. Wenn Oskar weinen würde, könnte man es eh nicht sehen.

Der Seenotretter stellt die rote Tasche ab.

SEENOTRETTER

Gehören die zu ihnen?

Tinemama schließt Luca in die Arme und rubbelt ihn warm.

BERT PFEFFERKORN

(zu Oskar)

Gehörst du zu uns?

OSKAR

Ich habe den Schatz gefunden!

LUCA

Gibt nicht an man, gib auf!

SEENOTRETTER

Das hätte auch schief gehen können.

BERT PFEFFERKORN

(schreit Oskar an)

Wenn du dich in Gefahr bringst, das mag ja noch gehen! Aber wenn andere ihr Leben für dich riskieren müssen, dann ist echt Ende Gelände!

Oskar guckt zu Boden.

SEENOTRETTER

(blickt zum chaotischen Lager)

Sind Sie sich im Klaren darüber, welche Verantwortung sie als Eltern tragen?

BERT PFEFFERKORN

Ja, verdammt! Und, wir sind nicht seine ELTERN!

SEENOTRETTER

Aber sie tragen die Verantwortung für das Kind!

BERT PFEFFERKORN

Nein!

SEENOTRETTER

Durften Sie dieses Kind überhaupt mit in den Urlaub nehmen?

UROPA

Ja, natürlich. Das war ein Jungsstreich. Wir regeln das schon.

Der Uro führt den Seenotretter Richtung Seebrücke.

UROPA

Zeigen Sie mir doch lieber ihren Kahn.

SEENOTRETTER

Kahn?

UROPA

Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ist es ein Selbstaufrichter?

Der Uropa dreht sich zu Oskar um. Dessen Blick gibt aber nicht Preis, was er gefunden hat.

 

Bert führt Oskar und Luca zum Auto. Tinemama wickelt jeden in eine Decke ein. Luca hat blaue Lippen und zittert am ganzen Körper. Seine Zähne klappern. Branka lädt Geschirr in den Bus. Guckt Oskar noch nicht mal an.

Dann geht sie zurück zum Lager. Der REGEN PRASSELT auf sie nieder. Sie sieht trotzdem noch aus wie eine Königin, wie sie mit einem Korb auf dem Kopf grazil hinweg schwebt. Oskar guckt aufs weite Meer hinaus.

BERT PFEFFERKORN

(unterbricht ihn)

Du bleibst jetzt bei mir.

Oskar guckt weg.

BERT PFEFFERKORN

Verstanden?

Oskar nickt, ohne Papa Bert anzusehen.

OSKAR

Kratzt mich nicht!

In Null-Komma-Nix ist der Bus beladen. Oskar hält seine rote Tasche auf dem Schoß. Sie tropft.

Die Tinemama dreht die MUSIK bis Anschlag auf. Punkrock oder Death Metal.

42INNEN. RUINE - DÄMMERUNG42

Es gießt immer noch. Die Hippies suchen Schutz in der Ruine.

Die Kids ziehen sich trockene Klamotten an. Eine sehr eigenwilliger Stilmix, den Tinemama aus den trocken gebliebenen Sachen zusammenstellt. Jeder der fertig ausstaffiert ist, setzt sich an sein Instrument und sie spielen zusammen.

Oskar ist als letzter dran. Er bekommt ein ärmelloses Leopardenshirt und eine Lederhose.

BERT PFEFFERKORN

(zu Oskar)

Oskar, gib mit die Nummer von Deinen Eltern.

OSKAR

Ich dachte, Du hasst Handys.

Luca hört auf zu Trommeln und wirft dem Papa ein Handy zu.

OSKAR

Mein Handy!

BERT PFEFFERKORN

Ich dachte, Du hast keins.

43INNEN. RUINE - NACHT43

Oskar sitzt alleine in der Ruine. Von weitem hören wir die Hippies spielen.

44INNEN. RUINE - NACHT44

Die Ruine in einer Totalen. Oskar sitzt im ersten Stock. Mit seiner Taschenlampe leuchtet er herum.

Im Stockwerk darunter sitzt der Uro am Feuer.

45INNEN. RUINE - NACHT45

Oskar liegt bäuchlings auf dem Boden. Der Kegel seiner Stirnlampe zeigt auf die eingewachsen Dokumente. Er öffnet das Paket:

Ein Parteibuch. Rot mit Reichsadler und Hakenkreuz in Goldprägung. Er öffnet das Heftchen. Ein Foto vom Urgroßvater mit Kapitänsmütze und der gleichen kleinen Nickelbrille. Darin liegt noch ein Foto. Es zeigt den Uro in SS-Uniform mit einer jungen Frau im Sommerkleid an seiner Seite. Sie stehen auf der Baustelle eines U-Boot Bunkers. Hinter ihnen ausgemergelte KZ-Arbeiter.

Oskar klappt das Heft zu.

Er hört eine Trommelperformance von Luca. Jetzt mach Luca dazu Mundharmonika mit Mikro. Das klingt einfach nur überkrass. Er kriegt eine Gänsehaut.

Oskar klappt das Parteibuch wieder auf. Kramt einen Stift raus und schreibt zwischen die Zeilen des Heftchens einen eigenen Text.

 

Ich hab keine Hände

Ich kann dich nicht berühren

Ich kann dich nicht begreifen

Aber deutlich spüren…

ABBLENDE mit REGEN

46INNEN. RUINE - NACHT46

Oskar steht vor dem Uropa. Er hält das rote Parteibuch in der Hand.

OSKAR

Warum hast Du mitgemacht?

UROPA

Warum bist Du mitgefahren?

Die beiden sitzen am Feuer und gucken in die Flammen.

UROPA

Ich bin nur ein Mensch. Und Menschen machen Fehler.

Oskars Blick fällt auf Brankas orange Sandalen.

OSKAR

Und wie kann man die wieder gut machen?

UROPA

Indem man weiterlebt und anders handelt.

Oskar greift nach dem Parteibuch. Der Uro wirft es ins Feuer.

UROPA

Liebe wird aus Mut gemacht!

OSKAR

Soll ich jetzt über die Glut laufen, damit ich einer von Euch bin?

Oskar guckt den Uropa direkt an. Er rückt sich sein verrutschtes Stirnband über die Ohren.

UROPA

Warum zeigst Du Dich nicht?

Oskar rennt los.

UROPA

Wohin?

OSKAR

(Oskar ruft zurück ohne sich zu verlangsamen)

Andersland!

Oskar verschwindet in der pechswarzen Nacht. Wir hören seinen Atem. Schnell, weil er rennt. Aber kein Schnappen. Keine Panik. Rhythmisch.

47AUSSEN. FEUERWEHRFEST - NACHT47

Oskar drängelt sich durch die Menschenmenge des Feuerwehrfests.

Branka steht am Mikro.

Sie singt sich die Seele aus dem Leib.

BRANKA

„I Kissed A Girl“ von Katy Perry (https://www.youtube.com/watch?v=rYbkhM_lATU)

Oskar muss sich während des Songs durch die Feuerwehrmänner und das restliche Publikum, vor allem Hippies vom Strand, kämpfen. Die Security wollen ihn nicht auf die Bühne lassen.

OSKAR

Ich gehör dazu! Das ist meine Schwester!

Der Feuerwehrmann vom Strand gibt durch Nicken sein OK.

Branka verbeugt sich. Die Menschen applaudieren.

48AUSSEN. FEUERWEHRFEST/BÜHNE - NACHT48

Extempore: Die Kostüme und die Ausstattung verändern sich in der Szene. Am Ende ist es eine Ästhetik von SCHWARZE KATZE, WEISSER KATER

Oskar stolpert auf die Bühne. Er schnappt sich das Mikro vor Branka und schleift es samt Ständer an die Kante der Bühne. Es gibt eine widerliche Rückkopplung. Alle halten sich die Ohren zu. Dann Stille.

ANNE MÜLLER

Oskar!

Einige Menschen klatschen. Sie halten Oskar für den geplanten Special Act. Anne Müller versucht an den Securitys vorbeizukommen. Sie landet direkt vor dem Gesicht des Feuerwehrmanns, der vom Strand.

ANNE MÜLLER

Das ist mein Sohn!

FEUERWEHRMANN

Cool!

Der von oben bis unten tätowierte Schrank, legt einen Arm um die schlanke Frau.

ANNE MÜLLER

Nehmen Sie ihre Finger weg!

FEUERWEHRMANN

Ist doch geil, diese Energie von Jungs!

Oskar macht die Augen zu. Umklammert das Mikro. Er hat eine Piepsstimme.

ANNE MÜLLER

Schatzi!

Hilfesuchend guckt er sich zu Mara um. Sie trägt ein langes Kleid, was ihren ganzen Rollstuhl bedeckt. Sie sieht aus wie ein Engel. Mara sieht Oskar an. Sie schließt die Augen. Langsam. Dann bewegt sie die Arme. Daran hängen einige Blechdosen, mit denen sie spannende Geräusche macht. Oskar fängt an zu rappen.

OSKAR

Ich hab keine Hände

Ich kann dich nicht berühren

Es hört sich immer noch schrecklich an. Oskar schämt sich. Greift an sein Stirnband. Kann er das hier durchstehen? Slow Motion. Er sucht nach Halt. Guckt hinter sich zu den anderen der Familie. Sie tragen jetzt weiße Kleidung.

 

Ich kann dich nicht begreifen

Aber deutlich spüren

Er verliert den Rhythmus. Oskar guckt zu Bert. Der fängt an mit dem Schlagzeug dazu den Beat zu machen. Das Schlagzeug hat lauter improvisierte Trommeln aus einer Milchkanne, einem Kleiderbügel und diversen hängenden Töpfen daran.

 

Ich habe keine Hände

Kann Musik nicht machen

die dir Zärte zeigt

Oskar geht mit dem Mikro in Beat’s Richtung. Der setzt mit einer Balalaika ein.

 

Ich hab keine Hände

Um dich rumzuführen

ich kann dir nicht zeigen

dass ich dich

Oskar stottert. Darauf macht er Hip Hop Rhythmus.

 

dass ich dich

dass ich dich begehr

Oskar steigert sich in sein Ding rein. Die anderen improvisieren dazu. Das ganze fängt an ein abgefahrener Akt zu werden.

 

ich hab keinen Mund

kann dir nicht erzählen

dass ich von dir träume

Cassia spielt ein trauriges Solo auf der Geige. Als sie Extra Applaus bekommt wirft sie ihr Schnuffeltuch ins Publikum. Es wird von Mackie, dem Papagei aufgefangen und Richtung Meer davongetragen.

 

kann dich auch nicht küssen

aber sehr vermissen

 

ich hab keine Füße

kann nicht zu dir laufen

kann nicht mit dir spielen

 

ich kann dich nur fühlen.

Auf meiner Haut

Machst du kleine Gänse

Und im Bauch ein Loch

 

Ich muss dich einfach halten

Ohne Hände fest.

 

Es war krumm und schief, aber echt und so noch nie gehört.  Anne Müller hält sich die Hand vor den Mund. Doch dann jubelt das Publikum.

Oskar reißt sich sein Stirnband ab. Er legt es Branka um den Kopf. Sie trägt ein langes weißes Kleid und viele Blumen. Geschmückt wie eine Braut. Sie fällt ihm um den Hals.

Luca nutzt die Chance und legt eine Parkour Nummer mit Mundharmonika auf der Festivalbühne hin. Branka und Oskar tanzen. Ein Hochzeitstanz. Beat macht noch ein Gitarrensolo. Branka hält die ganze Zeit das Mikro in der einen Hand und Oskar in der anderen. Luca macht Handstand auf der Traverse, an der über die Bühne die Lichter aufgehängt sind. Dann richtet er ein Spotlight auf das neu gefundene Paar. Die Mikroschnur hat die beiden eingewickelt.

BRANKA

(laut genug, dass man es auch im Mikro hört)

Oskar, du wirst mein Lieblingsbruder.

Oskar schluckt. Branka drückt seine Hand. Dann haben alle wieder normale Klamotten an. Die Gypsy-Hochzeit ist vorbei.

49INNEN. RUINE - NACHT49

DETAIL

Der Uro dreht sein Hörgerät an einem Rädchen lauter.

50AUSSEN. FEUERWEHRFEST/BÜHNE - NACHT50

Luca und Beat schnappen sich Oskar.

BEAT

Komm, bevor Deine Mama Dich zurückholt!

Oskar gibt Branka einen Kuss auf die Wange.

OSKAR

Na dann, Lieblingsschwester.

51AUSSEN. MEER - FRÜHER MORGEN51

Die drei Jungs mit Mara neben ihnen matschen am Meer. Keine fein ziselierten Militärgebäude, sondern ein großes klobiges Gewirr aus Kanälen. Die Sonne geht auf. Die Flut kommt. Ein Damm bricht.

OSKAR

Beat. Wir brauchen mehr Pampe!

Beat schaufelt mit beiden Händen. Er ist von oben bis unten nass. Er hat ein Loch gegraben in das das Wasser läuft. Er lässt es an seinen Waden hochsteigen.

OSKAR

Mann, Eure Eltern sind doch cool. Warum habt ihr trotzdem keine Süßigkeiten?

BEAT

Zucker ist ungesund, Mann.

OSKAR

Na, der hier nicht.

Die Jungs schütten sich die Zuckerkügelchen der  homöopathischen Hausapotheke rein.

Anne Müller sieht von weitem zu. Der Uropa schläft auf einer Liege direkt neben ihr. Sie lacht laut. Der Uropa schläft einfach weiter.

Mara dreht den Kopf.

OSKAR

Willst Du auch Zucker?

MARA

(kneift die Augen zusammen)

Oskar gibt ihr welche in den Mund.

LUCA

Krass, sie versteht dich?

OSKAR

Willst Du Sand?

Mara dreht den Kopf weg. Sie guckt in Richtung Meer, das orange schimmert.

Das Meer spült die Kanäle fort.